Entscheidungsstichwort (Thema)
Stuttgarter Verfahren. Einfluß auf Geschäftsführung durch Beteiligung von mehr als 25 v.H.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Aktie genießt als Vermögensrecht den Schutz des Art. 14 GG. In die verfassungsrechtlich geschützte Substanz des Anteilseigentums wird aber nicht eingegriffen, wenn bei der Bewertung von Aktien Abschn. 80 Abs. 1 VStR 1969 nicht angewandt wird.
2. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt nicht, daß bei der Bewertung von Aktien ein für den Steuerpflichtigen möglichst günstiges Ergebnis erzielt werden muß.
3. Es ist nicht willkürlich, wenn der BFH wegen der einschlägigen Bestimmungen des Aktiengesetzes in ständiger Rechtsprechung einen Einfluß auf die Geschäftsführung bei einer Beteiligung von mehr als 25 v.H. für gegeben hält.
Normenkette
BewG 1965 § 11 Abs. 2 S. 2; VStR Abschn. 76; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 14
Verfahrensgang
Gründe
Die maßgebliche gesetzliche Regelung ist hier § 11 Abs.2 Satz 2 BewG 1965, nach welcher der gemeine Wert von Aktien unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen ist. Für diese Schätzung ist das sogenannte Stuttgarter Verfahren entwickelt worden (vgl. Abschn. 76 ff. Vermögensteuer-Richtlinien ≪VStR≫ 1969). In diesen Verwaltungsanweisungen wird nicht bestimmt, daß eine Beteiligung über 25 v.H. stets eine Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zur Folge hat. Aus diesem Grund kommt den Ausführungen der Beschwerdeführer, daß typisierende Verwaltungsanordnungen nur dann verfassungsmäßig seien, wenn sie sich streng am Gesetz orientierten, im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung zu.
Die Aktie genießt als Vermögensrecht den Schutz des Art. 14 GG (BVerfGE 14, 263 ≪277≫). In die verfassungsrechtlich geschützte Substanz des Anteilseigentums (vgl. BVerfGE 50, 290 ≪344 f.≫) wird aber nicht eingegriffen, wenn bei der Bewertung von Aktien Abschn. 80 Abs. 1 VStR 1969 nicht angewandt wird. Die hohe Wertdifferenz, die sich daraus ergibt, daß die Finanzverwaltung davon ausgegangen ist, der Aktienbesitz gebe dem Erblasser Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft, wirkt sich – wie die Beschwerdeführer selbst vortragen – erst bei der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer aus. Diese steuerliche Mehrbelastung ist aber nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens.
Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt nicht, daß bei der Bewertung von Aktien ein für den Steuerpflichtigen möglichst günstiges Ergebnis erzielt werden muß.
Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt sein könnten.
Schließlich kann nicht festgestellt werden, daß die Entscheidung des Bundesfinanzhofs willkürlich ist. Dies setzt voraus, daß die Rechtsanwendung des Bundesfinanzhofs bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 59, 128 ≪161≫). Davon kann aber nicht ausgegangen werden, wenn der Bundesfinanzhof wegen der einschlägigen Bestimmungen des Aktiengesetzes in ständiger Rechtsprechung einen Einfluß auf die Geschäftsführung bei einer Beteiligung von mehr als 25 v.H. für gegeben hält.
Auf den Komplex der Genußscheine ist schon deshalb nicht einzugehen, weil der Vortrag der Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren – soweit er sich auf die Genußscheine bezieht – von dem im finanzgerichtlichen Verfahren entscheidend abweicht (vgl. Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten des Erblassers vom 29. Juni 1973 an das Finanzgericht München, Bl. 3).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen