Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtretung von Steuererstattungsansprüchen
Leitsatz (redaktionell)
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß eine Abtretung von Steuererstattungsansprüchen bei unwiderruflicher Bevollmächtigung des Zessionars oder eines Dritten zur Ausfertigung und Abgabe der Anzeige nach § 46 Abs. 3 AO 1977 der vorherigen und nachgewiesenen Kenntnis des Zedenten vom Inhalt eines amtlichen oder mit diesem identischen Vordrucks bedarf. Dieses entspricht dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelung.
Normenkette
AO 1977 § 46 Abs. 2-3; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
BFH (Urteil vom 26.11.1982; Aktenzeichen VI R 207/81) |
FG Hamburg (Urteil vom 29.07.1981; Aktenzeichen I 10/80) |
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.11.1980; Aktenzeichen IV 180/79) |
Gründe
Zur Sicherung ihrer Forderungen ließen sich die Beschwerdeführer 1976 von Steuerpflichtigen deren Steuererstattungsansprüche für 1975 bis 1984 abtreten. Im Zusammenhang mit der Abtretung bevollmächtigten die Steuerpflichtigen den Rechtsbeistand der Beschwerdeführer unwiderruflich, die Abtretungen gemäß § 46 AO in ihrem Namen den zuständigen Finanzämtern anzuzeigen und die möglichen Erstattungsansprüche geltend zu machen. Der Rechtsbeistand handelte entsprechend, wobei er für die Anzeigen Privatvordrucke verwandte, die dem amtlichen Vordruck zwar nachgebildet waren, aber sowohl auf der Vorder- als auf der Rückseite einige zusätzliche Angaben enthielten. Die Anzeigen waren nur von dem Rechtsbeistand unterschrieben, wobei dieser sich auf seine Bevollmächtigung durch die Steuerpflichtigen und die Beschwerdeführer berief.
Die Finanzämter sahen die Abtretungen als nicht rechtswirksam an. Einsprüche, Klagen und Revisionen blieben erfolglos.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (vgl. BStBl II 1982, 123) und der Finanzgerichte, mittelbar gegen § 46 Abs.2 und 3 AO 1977.
§ 46 Abs. 3 AO schreibt für die Abtretung von Steuererstattungsansprüchen die Verwendung eines amtlichen Vordrucks vor, der Angaben über den Abtretenden, den Abtretungsempfänger sowie über Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs enthält. Außerdem muss die Abtretungsmitteilung an das Finanzamt vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger unterschrieben sein. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Verwendung eines amtlichen Vordrucks und die Forderung nach der vom Zedenten mit zu unterschreibenden Angabe der Höhe des abgetretenen Anspruchs den Missbräuchen durch „Blanko-Abtretungen” begegnen werde (BTDrucks. 7/2852 S. 47).Diese Regelung, die dem Schutz des wirtschaftlich Schwächeren dienen soll, tastet nicht den Wesensgehalt der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit oder auch nur den der wirtschaftlichen Freiheit oder der Vertragsfreiheit an. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Grundgesetz die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsgebundenheit und Gemeinschaftsbezogenheit entschieden hat (vgl. BVerfGE 8, 274 ≪329≫). Es ist auch nicht ersichtlich, daß § 46 Abs. 3 AO zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels nicht geeignet oder nicht erforderlich ist.
Die Ausführungen der Beschwerdeführer, die gesetzliche Regelung diene ausschließlich der Verwaltungsvereinfachung und solle den Finanzämtern Arbeit ersparen, können nur § 46 Abs. 2 AO betreffen. Das ergibt sich schlüssig aus den von den Beschwerdeführern angeführten Zitaten, die sich darauf beziehen, dass die Anzeige an das Finanzamt über die Abtretung oder Verpfändung wirksam nur nach Entstehung des Erstattungsanspruchs erfolgen kann. Mag diese Regelung auch zu einseitig auf Verwaltungsbelange abstellen, so folgt daraus aber noch kein Grundrechtsverstoß. Auch Tipke-Kruse, auf den sich die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang berufen (Komm. zur AO und FGO, 10. Aufl., § 46 AO Anm. 3 c), kommen nicht etwa zu dem Ergebnis, § 46 Abs. 2 AO sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. Im übrigen dient diese Regelung auch dem Schutz des Steuerpflichtigen. Über die Höhe des abtretbaren Erstattungsanspruchs soll Klarheit bestehen. Dies ist erst nach seiner Entstehung möglich.
Das Finanzamt als Drittschuldner und der Steuerpflichtige als Schuldner des Zessionars werden nicht dadurch in gleichheitswidriger Weise (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG) begünstigt, weil nach § 398 BGB die Wirksamkeit der Übertragung einer künftigen Forderung nicht von einer Anzeige des Zessionars beim Schuldner nach Entstehung der Forderung abhängig gemacht wird. Durch Art. 3 Abs. 1 GG ist der Gesetzgeber nicht gehindert, Sonderregelungen für bestimmte Sachbereiche zu erlassen, wenn deren besondere Verhältnisse es fordern oder rechtfertigen (BVerfGE 21, 87 ≪91≫). Dabei ist auch das Motiv des Gesetzgebers zu beachten (BVerfGE 13, 331 ≪343≫).
Der abgetretene Erstattungsanspruch mag bereits im Zeitpunkt seiner Abtretung ein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes vermögenswertes Recht sein (vgl. BVerfGE 45, 142 ≪179≫). Der Gesetzgeber hat den Beschwerdeführern durch § 46 Abs. 2 AO dieses Recht aber nicht deshalb entzogen, weil er zur Wirksamkeit einer Abtretung von Erstattungsansprüchen die Anzeige des Anspruchs nach dessen Entstehen und dabei die Verwendung eines amtlich vorgeschriebenen Vordrucks verlangt.
Soweit die Beschwerdeführer die Urteile des Bundesfinanzhofs angreifen, ist davon auszugehen, daß die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall allein Sache der dafür zuständigen Gerichte sind und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht unterliegen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫). Es kann auch nicht festgestellt werden, der Bundesfinanzhof habe Einwirkungen der Grundrechte bei seinen Entscheidungen verkannt.
Der Bundesfinanzhof geht im Ergebnis davon aus, daß eine Abtretung von Steuererstattungsansprüchen bei unwiderruflicher Bevollmächtigung des Zessionars oder eines Dritten zur Ausfertigung und Abgabe der Anzeige nach § 46 Abs. 3 AO der vorherigen und nachgewiesenen Kenntnis des Zedenten vom Inhalt eines amtlichen oder mit diesem identischen Vordrucks bedarf. Dieses entspricht dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelung und ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Wie der Bundesfinanzhof zutreffend ausgeführt hat, verlangt die Rechtsprechung auch auf anderen Gebieten zur Wirksamkeit einer unwiderruflichen Vollmacht die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen. So ist die unwiderrufliche Erteilung der Vollmacht für die Veräußerung eines Grundstücks nur dann wirksam, wenn sie in der Form des § 313 BGB erfolgt (vgl. Palandt, BGB, 42. Aufl., § 313 Anm. 6 b mit Rechtsprechungsnachweisen).
Es kann auch nicht festgestellt werden, der Bundesfinanzhof habe den Beschwerdeführern das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) versagt.
Neue Tatsachen sind in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 FGO). Es kann daher keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG darstellen, daß der Bundesfinanzhof aufgrund des Vortrags in der Revisionsinstanz die Frage der Titulierung der Forderung der Beschwerdeführer nicht aufgeklärt hat. Dabei ist es unerheblich, ob die Finanzämter und die Finanzgerichte stillschweigend davon ausgegangen sind, daß den Zessionen vollstreckbare Titel zugrunde lagen. Wenn aber der Bundesfinanzhof in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise von einer Überprüfung absehen konnte, ob einer Titulierung der Forderung gegen den Steuererstattungsberechtigten im Zusammenhang mit § 46 Abs. 3 AO eine sachliche Bedeutung zukommt, dann erübrigt sich auch ein Eingehen auf den Vortrag der Beschwerdeführer, für den Zedenten sei die Abtretung seiner Ansprüche der schonendere – weil billigere – Weg, da auf diese Weise Vollstreckungskosten vermieden wären.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen