Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Bescheinigung i. S. des § 7h EStG kann nicht über das in § 86 Abs. 3 FGO geregelte Verfahren der Urkundenvorlage erzwungen werden
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verfassungsbeschwerden gegen die Beschlüsse des BFH vom 18.07.2006 – X B 39/06 und vom 30.08. 2006 – IX B 139/06, betreffend die Erteilung einer von der Gemeindebehörde verweigerten Bescheinigung i. S. von § 7h Abs. 2 EStG und die Beschwerde gegen den Beschluss des FG mit dem der Antrag auf einstweilige Anordnung auf Remonstration des Finanzamts hinsichtlich der Bescheinigung abgelehnt wurde, sind nicht zur Entscheidung angenommen worden.
2. Dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführer, der das BVerfG nunmehr das vierte und fünfte mal mit Anträgen beschäftigt hat, die stets die gleiche einfachrechtliche Frage der Verfassungswidrigkeit des § 7h EStG bzw. dessen gesetzwidrige Anwendung auf die konkreten Einzelfälle zum Gegenstand haben, wird eine Missbrauchsgebühr von 2000 EUR auferlegt.
Normenkette
EStG § 7h Abs. 2; FGO § 86 Abs. 3, § 128 Abs. 3 S. 1, § 114 Abs. 1; BVerfGG § 34
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 30.08.2006; Aktenzeichen IX B 139/06; BFH/NV 2007, 73) |
BFH (Beschluss vom 18.07.2006; Aktenzeichen X B 39/06; BFH/NV 2006, 1697) |
FG Münster (Beschluss vom 06.07.2006; Aktenzeichen 8 V 2177/06) |
FG Münster (Beschluss vom 04.07.2006; Aktenzeichen 8 V 1640/06 F) |
VG Osnabrück (Beschluss vom 26.06.2006; Aktenzeichen 1 A 180/06) |
VG Osnabrück (Gerichtsbescheid vom 27.04.2006; Aktenzeichen 1 A 180/06) |
Niedersächsisches FG (Beschluss vom 02.02.2006; Aktenzeichen 1 K 24/06) |
BVerwG (Beschluss vom 25.01.2006; Aktenzeichen 10 B 60.05 u.a.) |
BVerwG (Beschluss vom 30.03.2005; Aktenzeichen 10 B 6.05) |
BVerwG (Beschluss vom 24.02.2005; Aktenzeichen 10 B 75.04) |
BVerwG (Beschluss vom 01.02.2005; Aktenzeichen 10 B 75.04) |
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 03.12.2004; Aktenzeichen 1 ME 301/04) |
VG Osnabrück (Beschluss vom 27.10.2004; Aktenzeichen 1 B 33/04) |
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 13.09.2004; Aktenzeichen 14 PS 1/04) |
BVerwG (Beschluss vom 08.06.2004; Aktenzeichen 10 B 11.05) |
VG Osnabrück (Urteil vom 17.12.2002; Aktenzeichen 1 A 193/02) |
Tenor
Die beiden Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen.
Dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführer wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 2.000 € (in Worten: zweitausend Euro) auferlegt.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die Versagung erhöhter Absetzungsmöglichkeiten gemäß § 7h EStG.
1. Gemäß § 7h Abs. 2 EStG kann ein Steuerpflichtiger erhöhte Absetzungen für Herstellungs- oder Anschaffungskosten bei Gebäuden nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass die geltend gemachten Kosten für Maßnahmen an Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen entstanden sind (§§ 142 Abs. 1 Satz 1, 165 Abs. 3 BauGB).
a) Die steuerliche Geltendmachung für Modernisierungsmaßnahmen betrifft in concreto jeweils Gebäude, die außerhalb der in den §§ 142 und 165 BauGB aufgeführten Gebiete und Bereiche liegen. Die Beschwerdeführer – hier und im Folgenden stets durch den Bevollmächtigten vertreten – versuchten zunächst, die für eine steuerliche Anerkennung gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG erforderliche Bescheinigung verwaltungsgerichtlich zu erlangen. Nach Zurückweisung der beiden Klagen durch die zuständigen Verwaltungsgerichte sind entweder keine Anträge auf Zulassung der Berufung gestellt oder es ist ein solcher zurück genommen worden. Die daraufhin gestellten Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz sind ebenso wie die vielfach erhobenen Anhörungsrügen und Beschwerden fachgerichtlich abgelehnt bzw. verworfen worden. In diesem Zusammenhang vertraten die Beschwerdeführer die Auffassung, aus § 99 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO ergebe sich in ihren Fällen die Pflicht der Gemeinde, die beantragte Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG zu erteilen.
b) Auf finanzgerichtlichem Wege versuchten beide Beschwerdeführer sodann, die Nichtanerkennung der Steuerminderungsmöglichkeit gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG durch die zuständigen Finanzämter anzufechten. Ob in beiden Verfahren finanzgerichtliche Klage erhoben worden ist, ist anhand der beigefügten Unterlagen nicht feststellbar. Mit einer Fülle von Anträgen haben die Beschwerdeführer entweder das Ziel verfolgt, das zuständige Finanzamt zu einer Remonstration gegenüber der Gemeinde zu verpflichten, oder die Feststellung angestrebt, dass aus § 86 Abs. 3 FGO die Verpflichtung der Gemeinde auf Erteilung der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG folge; teilweise ist zusätzlich die Einschlägigkeit des § 86 Abs. 3 FGO mit dem Schutz des Steuergeheimnisses begründet worden. Die Anträge hatten keinen Erfolg. Fachgerichtlich gab es eine Reihe von Hinweisen des Inhalts, dass – soweit es den Antragstellern darum gehe, die Ablehnung der Erteilung einer Bescheinigung nach § 7h EStG auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen und das Finanzamt zur Einwirkung auf die zuständige Behörde zu veranlassen (“Remonstration”) – § 86 Abs. 3 FGO ersichtlich keine Rechtsgrundlage biete. Auch der weitergehende Antrag, über § 86 Abs. 3 FGO die Ausstellung der Bescheinigung zu erreichen, sei offensichtlich unbegründet; denn die Antragsteller verlangten nicht die Vorlage bereits vorhandener Urkunden, sondern wollten erreichen, dass ihnen Bescheinigungen nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG überhaupt erst ausgestellt würden.
c) Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und erheben den Vorwurf, die Finanzbehörden und die Finanzgerichte hätten willkürlich entschieden, da ein Fall der “verfassungswidrigen tatsächlichen Verweigerung der beantragten Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG” vorliege. Daneben werden noch Rügen erhoben, die Verletzungen der Art. 2 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG zum Gegenstand haben. Hilfsweise begehren sie die Feststellung, dass die Regelung in § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG umzudeuten sei in eine ausnahmslose Pflicht zur Erteilung der Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde.
d) Der Bevollmächtigte der Beschwerdeführer hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr das vierte und fünfte mal mit Anträgen beschäftigt, die stets die gleiche einfachrechtliche Frage der Verfassungswidrigkeit des § 7h EStG bzw. dessen gesetzwidrige Anwendung auf die konkreten Einzelfälle zum Gegenstand haben. Auf die Beschlüsse in den Verfahren 2 BvQ 54/04 (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2004), 2 BvQ 17/05 (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juni 2005) und 2 BvR 309/06 (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Februar 2006) wird ergänzend verwiesen.
Im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juni 2005 (2 BvQ 17/05) ist gegenüber dem Bevollmächtigten, der auch die hier zu behandelnden Anträge verfasst hat, die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr angedroht worden. Im darauf folgenden Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Februar 2006 (2 BvR 309/06) ist dem Bevollmächtigten, dort als Beschwerdeführer auftretend, eine Missbrauchsgebühr von 1.500 € auferlegt worden.
2. Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248 ff.≫). Die Verfassungsbeschwerden haben – unbeschadet der Frage ihrer Zulässigkeit – jedenfalls auch deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil nicht ansatzweise dargelegt und erkennbar ist, dass die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt sein könnten (vgl. § 90 Abs. 1 BVerfGG).
Die Versuche der Beschwerdeführer, über § 99 Abs. 2 VwGO und § 86 Abs. 3 FGO die Erteilung der Bescheinigung gemäß § 7h EStG zu erreichen, basieren auf einem offenkundigen Missverständnis der in der Verwaltungserichtsordnung und der Finanzgerichtordnung niedergelegten Vorlage- und Auskunftspflichten der Behörden.
Wie in den benannten Verfahren zuvor lassen die vorgetragenen Begründungen für etwaige Grundrechtsverletzungen jegliche Substanz vermissen.
3. a) Die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr in der hier angemessenen Höhe von 2.000 € beruht auf § 34 Abs. 2 BVerfGG. Danach kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr bis zu 2.600 € auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Ein solcher liegt u.a. vor, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Das Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen, dass es an der Erfüllung seiner Aufgaben durch für jedermann erkennbar aussichtslose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfasungsgerichts vom 23. Dezember 1996 – 2 BvR 673/96 u.a. –, NJW 1997, S. 1433 ≪1434≫; stRspr). Ein Missbrauch liegt etwa bei einer völlig substanzlosen Verfassungsbeschwerde vor, bei der die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Aspekte an den Haaren herbeigezogen sind, oder wenn es sich um eine lediglich in ein neues Gewand gekleidete Wiederholung einer bereits abgelehnten Verfassungsbeschwerde oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung handelt (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juni 2004 – 1 BvR 915/04 –, NJW 2004, S. 2959; Aderhold, in: BVerfGG, Mitarbeiterkommentar, Hrsg.: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl., 2005, zu § 34 Rn. 17 m.w.N.).
b) Adressat der Missbrauchsgebühr gemäß § 34 Abs. 2 BVerfGG ist derjenige, dem die missbräuchliche Handlung zuzurechnen ist. Nach allgemeinen Grundsätzen, beruhend auf dem in § 85 ZPO kodifizierten Rechtsgedanken, ist auch bei Einschaltung eines Bevollmächtigten generell der Beschwerdeführer bei “missbräuchlicher” Einlegung einer Verfassungsbeschwerde von der Rechtsfolge des § 34 Abs. 2 BVerfGG betroffen (Aderhold, in: BVerfGG, Mitarbeiterkommentar, Hrsg.: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl., 2005, zu § 34 Rn. 24 f.; Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Kommentar, Lfg. 23, Januar 2004, zu § 34 Rn. 62). Eine Ausnahme davon ist indes in den Fällen zu machen, in denen sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass die missbräuchliche Inanspruchnahme allein oder primär auf den Bevollmächtigten zurück zu führen ist (vgl. Aderhold, a.a.O., zu § 34 BVerfGG Rn. 26). Eine maßgeblich von einem Bevollmächtigten betriebene missbräuchliche Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn dieser über Jahre hinweg mit im Wesentlichen gleichen Klagezielen, in gleich gelagerten Fällen, anhand derselben einfach-rechtlichen Anknüpfung sowie mit nahezu identischen verfassungsrechtlichen Begründungen Verfassungsbeschwerden erhebt, die ausnahmslos nicht zur Entscheidung angenommen worden sind (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juni 2004 – 1 BvR 915/04 –, NJW 2004, S. 2959; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2005 – 2 BvR 1435/05 –, NJW-RR 2005, S. 1721). Vor der Auferlegung einer Missbrauchsgebühr ist im Regelfall dem Beschwerdeführer bzw. dem Bevollmächtigten eine solche anzudrohen.
c) Im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Bevollmächtigte bereits in den Jahren 2004, 2005 und 2006 drei Verfahren vor dem Bundesverfassungsverfassungsgericht mit Anträgen angestrengt hatte, die mit den Anträgen und deren Begründungen bis in wesentliche Teile der Formulierungen hinein in den hiesigen Verfahren nahezu identisch waren. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hatte sämtliche Anträge und die vom Bevollmächtigten selbst erhobene Verfassungsbeschwerde mit Beschlüssen vom 7. Dezember 2004 (2 BvQ 54/04), 14. Juni 2005 (2 BvQ 17/05) und 24. Februar 2006 (2 BvR 309/06) abgelehnt und nach vorheriger Androhung im zuletzt genannten Beschluss eine Missbrauchsgebühr von 1.500 € ausgesprochen. Dass gleichsam zufällig verschiedene Beschwerdeführer mit nahezu identischen einfach-rechtlichen und verfassungsrechtlichen Begründungen ihre Verfassungsbeschwerden dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, erscheint ausgeschlossen. In der Gesamtschau zeigen die schriftlichen Einlassungen, dass letztlich ein Urheber, nämlich der Bevollmächtigte, die verschiedenen Verfahren mit den gleichen, ständig wiederkehrenden Begründungsansätzen auf eine nicht ordnungsgemäße Weise betrieben hat. Als zugelassenem Rechtsanwalt musste ihm, dem Bevollmächtigten, die offensichtliche Erfolglosigkeit der von ihm vertretenen Verfassungsbeschwerden erkennbar sein.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1676489 |
BFH/NV Beilage 2007, 233 |