Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlverfahren für ehrenamtliche Richter. Beweislast bei ungeklärtem Vermögenszuwachs
Leitsatz (redaktionell)
1. FGO § 26 schreibt kein bestimmtes Verfahren für Wahl der ehrenamtlichen Richter vor; sondern nur überhaupt eine Wahl mit mindestens zwei Drittel der Stimmen. Auch eine summarische Abstimmung aufgrund einer Vorschlagsliste ist als bewußte Entscheidung der Wahlausschußmitglieder eine solche Wahl. Auch eine Wiederwahl ist möglich.
2. Hat das FG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise durch Gesamtvermögensvergleich einen ungeklärten Vermögenszuwachs festgestellt und dafür aufgrund konkreter Umstände nicht versteuerte Einkünfte angenommen, greifen die Grundsätze der objektiven Beweislast nicht ein; die Finanzbehörden müssen insoweit nicht die Verwirklichung eines konkreten Steuertatbestandes durch den Steuerpflichtigen nachweisen.
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; FGO § 26; EStG § 22 Nr. 3; AO 1977 § 85
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 19.11.1987; Aktenzeichen IX R 81/84) |
FG Düsseldorf (Urteil vom 19.01.1984; Aktenzeichen IX 257/77 E) |
Gründe
1. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich auch gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1968 wendet, hat der Beschwerdeführer infolge Rücknahme seiner Klage den Rechtsweg nicht erschöpft (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG; BVerfGE 2, 123 ≪124≫; 21, 94 ≪96≫).
2. a) Frage- und Aufklärungspflichten (vgl. § 76 Abs. 1 und 2 FGO) fallen nach ständiger Rechtsprechung (BVerfGE 42, 79 ≪85≫; 66, 116 ≪147≫; 67, 90 ≪96≫) nicht in den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG.
b) Auch eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Anspruch auf ein faires Verfahren ist nicht ersichtlich. Das Bundesverfassungsgericht prüft nicht, ob das Finanzgericht bei der Gestaltung des Verfahrens und bei seiner Entscheidungsfindung allen Anforderungen gerecht geworden ist, die die Verfahrensordnung stellt (vgl. BVerfGE 52, 131 ≪155, 164 f.≫).
Der vom Finanzgericht festgestellte Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung waren bereits Gegenstand des Verwaltungs- und Rechtsbehelfsverfahrens. Dem juristisch ausgebildeten und entsprechend tätigen Beschwerdeführer mußte es sich geradezu aufdrängen, daß Beweisangebote, wenn nicht bereits in der Klageschrift, so doch spätestens in der mündlichen Verhandlung zu unterbreiten sind. Nach der langen Dauer des Verwaltungsverfahrens hatte das Finanzgericht keine Veranlassung, nach nicht erkennbaren Beweismitteln weiterzuforschen.
In ständiger Rechtsprechung wird das vereinfachte Verfahren zur Zurückweisung von Revisionen gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG als verfassungsmäßig beurteilt (vgl. Nichtannahme-Beschluß vom 16. Oktober 1987 – 1 BvR 821/87 –, StRK BFH-EntlG R 118).
c) Die Frage eines hinreichenden Rechtsschutzes im Steuerrecht stellt sich nicht, da von Verfassungs wegen kein Instanzenzug gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 4, 74 ≪94 ff.≫; 54, 277 ≪291≫).
3. Die Rüge, die an der Entscheidung beteiligten beiden ehrenamtlichen Richter Sch. und St. seien nicht ordnungsgemäß gewählt worden, der Senat somit nicht gesetzeskonform besetzt gewesen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist ebenfalls nicht hinreichend substantiiert (§ 92 BVerfGG, BVerfGE 6, 132 ≪134≫).
§ 26 FGO schreibt kein bestimmtes Wahlverfahren vor, sondern lediglich eine Wahl überhaupt mit mindestens zwei Drittel der Stimmen. Insbesondere ist eine Wiederwahl schon bisher als ehrenamtliche Richter tätig gewesener Personen nicht ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer macht selbst nicht geltend, die zunächst in einem summarischen Abstimmungsverfahren gewählten ehrenamtlichen Richter seien auf Grund sachfremder Erwägungen einbezogen worden. Auch eine solche Abstimmung auf Grund der den Ausschußmitgliedern vorliegenden Vorschlagslisten bleibt eine Wahl als bewußte individuelle und konkrete – personenbezogene – Entscheidung der Mitglieder des Wahlausschusses (vgl. BFH, BStBl. II 1987, 438, 439). Von Gesetzes wegen soll lediglich ein von bloßen Zufällen abhängiges Ergebnis verhindert werden, wie es z. B. durch Auslosen entsteht.
Weder der Wahl-Niederschrift vom 28. September 1982 noch der schriftlichen Auskunft des Präsidenten des Finanzgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 1985 sind Umstände zu entnehmen, nach denen die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit bei der Wahl der hier in Rede stehenden oder auch der übrigen 289 gewählten Personen in Zweifel gezogen werden könnte. Die FGO enthält über die Form der Wahl- Niederschrift keine differenzierten Regeln, insbesondere nicht über die Protokollierung der – einzelnen – Abstimmungsergebnisse.
4. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ist nicht erkennbar.
Das Finanzgericht geht nach der Urteilsbegründung ersichtlich von Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG aus, nachdem es auf Grund der Feststellungen im Strafverfahren gegen den Bruder des Beschwerdeführers davon ausgeht, der Vater des Beschwerdeführers habe an den illegalen Geschäften durch Annahme und Ausgabe von Waren mitgewirkt (S. 9 des Urteils). Das Bundesverfassungsgericht prüft nicht, ob das Finanzgericht die erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen zutreffend festgestellt und den Sachverhalt richtig gewürdigt hat, sofern kein Verfassungsverstoß erkennbar ist (BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫).
Das Finanzgericht hat einen ungeklärten Vermögenszuwachs in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise festgestellt (BFH, BStBl. III 1967, 201; II 1982, 369, 370; II 1986, 226, 228 f. und 732, 733; BFH NV 1988, S. 12, 14) und auf Grund konkreter Umstände angenommen, daß dieser durch Gesamtvermögensvergleich ermittelte Vermögenszuwachs aus nicht versteuerten Einkünften herrührt (vgl. BFH, BStBl. II 1970, 189 f.). Bei einem festgestellten ungeklärten Vermögenszuwachs greifen die Grundsätze der objektiven Beweislast nicht ein (vgl. BFH, BStBl. II 1986, 732, 733, 784; BFH NV 1988, S. 12, 14), d. h. die Finanzbehörden müssen insoweit nicht die Verwirklichung eines konkreten Steuertatbestandes durch den Steuerpflichtigen nachweisen.
5. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 34 Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen