Entscheidungsstichwort (Thema)

Bescheinigung des Gesundheitsamts über Körperbehinderung. Abschreibungen als außergewöhnliche Belastung. Einfamilienhausverordnung. Streitwert bei Verbindung von Verfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zuständigkeit der Steuergerichte wird nicht dadurch berührt, daß sich aus Bescheinigungen des Gesundheitsamtes oder des Amtsarztes Auswirkungen auf die Besteuerungsgrundlagen ergeben können, wenn Gegenstand aller Verfahren Verwaltungsakte oder andere Maßnahmen in Besteuerungsverfahren sind.

2. Daß im Rahmen des § 33 EStG nur tatsächliche Aufwendungen, aber keine Abschreibungen zu berücksichtigen sind (hier:Rollstuhl) ist verfassungsrechtlich vertretbar.

3 Es ist verfassungskonform, daß sich die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigenden Hausherstellungskosten und laufenden Hausunkosten deshalb nicht in dem begehrten Umfang steuerlich auswirkten, weil die Einkünfte nach der Einfamilienhausverordnung (seit 1975 § 21a EStG) zu ermitteln waren.

4. Soweit erst der BFH zwei Verfahren über je ein Streitjahr verbindet, ist es vertretbar und nicht willkürlich, für jedes Streitjahr getrennt zu prüfen, ob der Streitwert 10.000 DM übersteigt.

 

Normenkette

EStG §§ 33, 21a; FGO § 115 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5 S. 1; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 10.03.1978; Aktenzeichen VI R 25/77)

FG Münster (Urteil vom 18.11.1976; Aktenzeichen I 1541/76)

FG Münster (Beschluss vom 25.10.1976; Aktenzeichen I 2919/76 E)

FG Münster (Urteil vom 14.10.1976; Aktenzeichen I 2752/76 E)

 

Gründe

Die angefochtenen Entscheidungen des Finanzgerichts Münster und des Bundesfinanzhofs verletzen keine Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführer.

1. Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof waren zur Entscheidung über die Rechtsbehelfe der Beschwerdeführer zuständig. Gegenstand aller Verfahren sind Verwaltungsakte oder andere Maßnahmen in Besteuerungsverfahren, für die nach § 33 FGO der Finanzrechtsweg gegeben ist. Die Zuständigkeit der Steuergerichte wird nicht dadurch berührt, daß sich aus Bescheinigungen des Gesundheitsamtes oder des Amtsarztes Auswirkungen auf die Besteuerungsgrundlagen ergeben können.

2. Die Entscheidungen des Finanzgerichts in den Einkommensteuersachen 1971 und 1972 gehen entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerde davon aus, daß Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Körperbehinderung steuerlich entweder durch einen Pauschbetrag (§ 33a Abs. 6 EStG in Verbindung mit § 65 EStDV) oder auf Einzelnachweis in voller Höhe nach § 33 EStG berücksichtigt werden können. Daß das Finanzgericht die von den Beschwerdeführern beschäftigten Hilfskräfte als Haushaltshilfen und nicht als Pflegepersonen angesehen hat, beruht auf seiner Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und ist einer verfassungsgerichtlichen Nachprüfung grundsätzlich entzogen (BVerfGE 18, 85 [92 f.1). Entsprechendes gilt für die Annahme der fehlenden Glaubhaftmachung der Aufwendungen für Verwandte und für die Feststellung, daß die laufenden Schwimmbadkosten nicht aufgeteilt werden können. Daß im Rahmen des § 33 EStG nur tatsächliche Aufwendungen aber keine Abschreibungen zu berücksichtigen sind (Rollstuhl),stellt eine vertretbare, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Gesetzesauslegung dar. Ebenfalls verstößt es nicht gegen Verfassungsrecht, daß die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigenden Hausherstellungskosten und laufenden Hausunkosten sich deshalb nicht in dem von den Beschwerdeführern begehrten Umfang steuerlich auswirkten, weil die Einkünfte der Beschwerdeführer nach der Einfamilienhausverordnung (seit 1975 § 21a EStG) zu ermitteln waren (vgl. BVerfGE 9, 3).

Durch die Trennung der Verfahren ist den Beschwerdeführern kein Nachteil entstanden. Insbesondere blieb wegen der Höhe der Streitwerte im finanzgerichtlichen Verfahren die Zulässigkeit der Revision unberührt.

3. Die Entscheidung des Finanzgerichts über die Klage wegen Stundung, Feststellung und Verpflichtung entspricht den Vorschriften der Finanzgerichtsordnung. Verfassungsrechtlich erhebliche Einwendungen gegen die Vorschriften der §§ 40, 41 und 44 FGO und ihre Anwendung durch das Finanzgericht haben die Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Entsprechendes gilt für den Beschluß des Finanzgerichts, mit dem die Sprungklage wegen Einkommensteuer 1973 entsprechend der Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 2 FGO an das Finanzamt zur Behandlung als Einspruch abgegeben wurde.

4. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer ist nicht erkennbar, daß der Bundesfinanzhof bei seinen Entscheidungen über die Nichtzulassungsbeschwerden (VI B 19, 20, 21/77) in willkürlicher, verfassungswidriger Weise die Vorschriften über die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) zu Ungunsten der Beschwerdeführer ausgelegt oder angewandt hätte. Ebenso ist es nicht zu beanstanden, daß der Bundesfinanzhof bei der Entscheidung über die Revisionen gegen die Finanzgerichtsurteile in den Einkommensteuersachen 1971 und 1972 (VI R 24-25/77) die Zulässigkeit der Revisionen verneint hat, weil die Beschwer durch die Finanzgerichtsurteile die Revisionssumme von 10.000 DM (Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFHEntlG) jeweils nicht erreicht hat. Da die Revision der Nachprüfung des vorinstanzlichen Urteils dient, erscheint diese Auslegung des § 115 Abs. 1 FGO (in Verbindung mit Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFHEntlG) vertretbar und nicht willkürlich, so daß eine Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kommt (BVerfGE 18, 85 [92 f.]).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1621155

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