Entscheidungsstichwort (Thema)
Kinderbezogener Anteil des Familienzuschlages. Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile der Finanzgerichte über den Kindergeldanspruch. Vorgreiflichkeit
Leitsatz (amtlich)
Rechtskräftige Urteile der Finanzgerichte über den Kindergeldanspruch binden Behörden und Gerichte bei Entscheidungen über den kinderbezogenen Anteil des Familienzuschlages.
Normenkette
BBesG § 40 Abs. 2 S. 1; EStG § 31 S. 2; FGO § 110 Abs. 1; EStG § 62
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 745,74 € festgesetzt.
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.
In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlages (Stufe 2) für neun Monate des Jahres 2000 verneint, weil ihm für diese Zeiten kein Kindergeld für seine Tochter zustehe. Das Fehlen der Kindergeldberechtigung stehe insoweit aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2005 bindend fest.
Der Kläger wirft die Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam auf, ob ein rechtskräftiges Urteil eines Finanzgerichts über den Kindergeldanspruch der Entscheidung über den Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlages verbindlich zugrunde zu legen sei. Nach seiner Auffassung kommt jedenfalls finanzgerichtlichen Urteilen, die einen Kindergeldanspruch verneinten, keine Bindungswirkung zu.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; stRspr).
Der in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, weil aufgrund der Urteile des Senats vom 26. August 1993 – BVerwG 2 C 16.92 – (BVerwGE 94, 98 ≪99≫) und vom 21. Dezember 2000 – BVerwG 2 C 39.99 – (BVerwGE 112, 308 ≪311 f.≫) kein Klärungsbedarf mehr besteht.
Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG wird einem Beamten der kinderbezogene Teil des Familienzuschlages für ein Kind gewährt, für das ihm Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz zusteht. Demnach ist dieser Teil der Besoldung an die Kindergeldberechtigung gekoppelt. Er hängt ausschließlich davon ab, ob für das jeweilige Kind ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Beide Leistungen dienen dem einheitlichen sozialpolitischen Zweck des Familienlastenausgleichs (Urteil vom 26. August 1993 a.a.O.).
Aus der gesetzlichen Akzessorietät des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlages hat der Senat den Schluss gezogen, dass sozialgerichtlichen Entscheidungen über die Kindergeldberechtigung Bindungswirkung zukommt. Hat das Gericht die Kindergeldberechtigung bejaht, so ist der kinderbezogene Besoldungsanteil zu gewähren, hat es sie verneint, so ist der Anteil zu versagen. So hat der Senat in dem Urteil vom 26. August 1993 (a.a.O. S. 100) ausgeführt, die für die Besoldung zuständige Stelle sei bei der Entscheidung über den kinderbezogenen Teil des damaligen Ortszuschlages an ein rechtskräftiges sozialgerichtliches Urteil gebunden, das die Ablehnung von Kindergeld bestätigt hatte. Im Anschluss daran heißt es in dem Urteil vom 21. Dezember 2000 (a.a.O.), nach dem rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts stehe für das verwaltungsgerichtliche Verfahren verbindlich fest, dass die Vorenthaltung des Kindergeldes rechtswidrig gewesen sei.
Diese Bindungswirkung kommt nunmehr Urteilen der Finanzgerichte zu, die für das Kindergeldrecht seit dessen Aufnahme in das Einkommensteuergesetz – EStG – durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I S. 1250) zuständig sind. Die Aufnahme hat an der Abhängigkeit des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlages von der Kindergeldberechtigung nichts geändert. Denn der akzessorische Charakter dieses Teils der Besoldung beruht auf der Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG, die inhaltlich unverändert geblieben ist. Für eine solche Änderung hat kein Anlass bestanden, weil das Kindergeld nach der gesetzlichen Zweckbestimmung gemäß § 31 Satz 2 EStG weiterhin dem sozialen Zweck der Familienförderung dient, soweit es nicht zu der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Freistellung des Einkommens erforderlich ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004 – 2 BvL 5/00 – BVerfGE 110, 412 ≪432 f.≫).
Die Bindungswirkung unanfechtbarer Urteile über die Kindergeldberechtigung ist eine Folge der Rechtskraft (vgl. § 121 VwGO, § 110 Abs. 1 FGO). Rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen binden die Beteiligten auch insoweit, als die darin ausgesprochene Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen Anspruch vorgreiflich ist. Behörden und Gerichte, die über das Bestehen eines solchen anderen Anspruchs entscheiden, müssen die vorgreifliche rechtskräftige Feststellung ihrer Entscheidung ohne nochmalige Prüfung zugrunde legen (Urteile vom 10. Mai 1994 – BVerwG 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 ≪26≫ und vom 24. November 1998 – BVerwG 9 C 53.97 – BVerwGE 108, 30 ≪33≫). Rechtskräftige Urteile der Finanzgerichte über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Kindergeld für ein Kind sind gemäß § 110 Abs. 1 FGO vorgreiflich für die Zuerkennung eines Anspruchs auf den kinderbezogenen Anteil des Familienzuschlages für dieses Kind, weil dieser Anspruch nach der in § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG getroffenen Regelung von der Kindergeldberechtigung abhängt.
Nach alledem bedarf es keines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass dem Kläger der kinderbezogene Anteil des Familienzuschlages für diejenigen Monate des Jahres 2000 nicht gewährt werden kann, für die ihm nach dem rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2005 kein Kindergeld zusteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Albers, Groepper, Dr. Heitz
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2007, 473 |
ZBR 2007, 321 |
BayVBl. 2008, 28 |
DVBl. 2007, 781 |
GK/Bay 2008, 257 |