Familienzuschlag in BW ist verfassungswidrig

Die Regelungen zum kinderbezogenen Familienzuschlag in Baden-Württemberg sehen vor, dass dieser bei einer Teilzeittätigkeit anteilig gekürzt wird. Arbeiten beide Elternteile im öffentlichen Dienst, unterbleibt eine Kürzung nur in den Fällen, in denen die Eltern jedenfalls zusammenbetrachtet mindestens die regelmäßige Vollzeitarbeitszeit erreichen. Im Übrigen erhält nur der kindergeldbeziehende Elternteil den Zuschlag - und zwar gekürzt im Verhältnis zu seinem Beschäftigungsanteil. Eine solche Regelung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und ist verfassungswidrig.

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 12. Juli 2024 auf die Vorlage des Verwaltungsgerichts Sigmaringen § 41 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 des Landesbesoldungsgesetzes (LBesGBW) für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz der Landesverfassung erklärt.

Regelung sieht Kürzung des kinderbezogenen Familienzuschlags bei Teilzeitarbeit vor

Beamte und Richter, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht, erhalten einen kinderbezogenen Familienzuschlag für jedes Kind. Im Fall einer Teilzeitbeschäftigung wird der kinderbezogene Familienzuschlag im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt. Sind beide Elternteile im öffentlichen Dienst beschäftigt, ordnet § 41 Abs. 3 Satz 1 LBesGBBW an, dass nur derjenige den Zuschlag erhält, dem auch das Kindergeld gezahlt wird. Zweck dieser Konkurrenzregelung ist es, eine Doppelgewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags für dasselbe Kind zu verhindern. Bei Teilzeitbeschäftigung des vorrangigen Anspruchsberechtigten wird nach § 41 Abs. 3 Satz 3 LBesGBW der Zuschlag nur dann nicht entsprechend der verkürzten Arbeitszeit gekürzt, wenn der andere Elternteil vollbeschäftigt ist oder beide Elternteile zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

Im Streitfall arbeiteten beide Elternteile nur in Teilzeit

Im Streitfall des Verwaltungsgerichts Sigmaringen waren beide Elternteile teilzeitbeschäftigt, erreichten aber zusammen nicht die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung. Der Ehemann war zu 51,85% und die Klägerin zu 35,71% teilzeitbeschäftigt. Die Klägerin erhielt das Kindergeld. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung gewährte deshalb der Klägerin den kinderbezogenen Familienzuschlag, aber nur in Höhe ihres Arbeitszeitanteils von 35,71%. Der Beschäftigungsumfang des Ehemannes wurde nicht berücksichtigt.

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Regelungen des § 41 Abs. 4 Satz 3 LBesGBW dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt.

Landesverfassungsgericht: Regelung verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat die Vorschrift des § 41 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 LBesGBW wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für unvereinbar mit der Landesverfassung erklärt.

Trotz eines addierten Beschäftigungsumfangs von insgesamt 87,56% erhalten die Klägerin und ihr Ehemann den kinderbezogenen Familienzuschlag nur anteilig in Höhe von 35,71%. Sie werden dadurch schlechter gestellt als allein anspruchsberechtigte teilzeitbeschäftigte Beamte, die ebenfalls mit einer Arbeitszeit von 87,56% beschäftigt sind und den kinderbezogenen Familienzuschlag in Höhe dieses Beschäftigungsanteils erhalten. Die Klägerin und ihr Ehemann werden außerdem schlechter gestellt als Elternpaare, die zusammen mindestens 100% der regelmäßigen Arbeitszeit erreichen und den kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechend der Summe beider Beschäftigungsanteile erhalten, lediglich begrenzt auf maximal 100%.

Ungleichbehandlung gegenüber Eltern, die zusammengerechnet die Vollzeitarbeitszeit erreichen

Diese Ungleichbehandlung lässt sich nicht durch sachliche Gründe rechtfertigen. Es sind zwar weder die allgemeine zeitanteilige Kürzung des Familienzuschlags bei Teilzeitbeschäftigung noch die Konkurrenzregelung bei mehreren Anspruchsberechtigen zur Vermeidung einer Doppelgewährung für sich betrachtet zu beanstanden. Durch die Kumulation beider Regelungen werden die Klägerin und ihr Ehemann aber überproportional benachteiligt. Rechtfertigende Gründe für die Nichtberücksichtigung des Beschäftigungsumfangs des Ehemannes bei der Gewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags an die Klägerin und ihren Ehemann sind nicht ersichtlich.

Das Gesetz verstößt deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz der Landesverfassung. Der Verfassungsgerichthof hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis spätestens 31. Dezember 2025 eine verfassungsgemäße Neuregelung mit Wirkung zum 1. Januar 2024 zu treffen.


Zitierte Rechtsvorschriften

§ 8 Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg:
(1) Bei Teilzeitbeschäftigung wird die Besoldung im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

§ 41 Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg:
(1) …
(2) …
(3) Einen kinderbezogenen Teil des Familienzuschlags für jedes Kind erhalten Beamte und Richter, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung der §§ 64 oder 65 des Einkommensteuergesetzes oder der §§ 3 oder 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde.
(4) Stünde neben dem Beamten oder Richter einer anderen Person im öffentlichen Dienst ein kinderbezogener Teil des Familienzuschlags oder eine entsprechende Leistung für ein oder mehrere Kinder zu, so wird der auf das jeweilige Kind entfallende Betrag des Familienzuschlags dem Beamten oder Richter gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 4 des Bundeskindergeldgesetzes vorrangig zu gewähren wäre. Auf das Kind entfällt derjenige Betrag, der sich aus der für die Anwendung des Einkommensteuergesetzes oder des Bundeskindergeldgesetzes maßgebenden Reihenfolge der Kinder ergibt. § 8 findet auf den Betrag keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte in Teilzeit beschäftigt sind und dabei zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

(Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil v. 12.7.2024, 1 GR 24/22)


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