Karl Würz, Dr. Reinhard Preusche
Komplexe Organisationsformen können dazu führen, dass die Pflichtendelegation nicht vollständig oder in Schnittstellenfragen lückenhaft ist. Das gilt insbesondere für geschäftsfeldbezogene Matrixorganisationsformen. Wir haben die Erfahrung machen müssen, dass Geschäftsfeld-Verantwortliche im Ausland für gesetzliche Verpflichtungen in Deutschland, die in ihrem Heimatumfeld nicht oder anders geregelt waren, kein Verständnis haben. Die Leitung einer deutschen Konzerntochtergesellschaft fühlt sich häufig nur für den Vertrieb oder eine bestimmte Produktionslinie zuständig. Dementsprechend groß ist der Schrecken wenn Bußgeldbescheide dann gegen die Leitung der Tochtergesellschaft und nicht gegen die konzernintern zuständige Stabsstelle bei der Zentrale im Ausland ergehen. Unternehmen mit verschiedenen Betriebsstätten weisen für die einzelnen Standorte nicht selten abweichende Regelungen auf. Wenn eine neue gesetzliche Anforderung in der Zentrale bekannt ist, heißt das nicht automatisch, dass man davon auch in den Produktionsstandorten Kenntnis erlangt und die notwendigen Maßnahmen getroffen hat. Ferner bleibt häufig unklar, was in der Verantwortung der Linienvorgesetzten liegt und welche Rolle Stabsabteilungen und Unternehmensbeauftragte spielen.
Um nicht die Übersicht zu verlieren, schlagen wir die Erstellung einer AKV-Matrix ("Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung") vor. Diese stellt das "Zusammenspiel" der Verantwortlichkeiten im Unternehmen in einer Übersicht dar und ermöglicht so die Steuerung aus der Geschäftsleitungsperspektive.
Die AKV-Matrix ist für jeden Delegationsempfänger auszufüllen. Alle Elemente, die in der AKV aufgeführt werden, sollten in den Delegationsschreiben enthalten sein. Alternativ kann die AKV-Matrix Bestandteil des Delegationsschreibens sein.
Hier finden Sie die Arbeitshilfe "Pflichtendelegation: Checkliste für delegierende Führungskräfte".
Sie enthält in der Vertikalspalte eine typisierte Auflistung der Funktionsträger im Unternehmen unterhalb der Geschäftsleitung (z. B. Geschäftsbereichsleiter, Produktionsleiter, Einkauf, Entwicklung, Controlling, Qualität, Vertrieb, Personalabteilung). Zusätzlich sollte die AKV-Matrix darunter jeweils die Namen der Verantwortlichen enthalten.
Hinzu kommen die verschiedenen Unternehmensbeauftragten (z. B. Abfall, Arbeitssicherheit, Brandschutz, Datenschutz, Gefahrgut, Gewässerschutz, Immissionsschutz, Strahlen-/Röntgenschutz, Luftfrachtsicherheit, Exportkontrolle, Energiemanagement).
In der Horizontalleiste werden stichwortartig vereinfacht mögliche Aufgabenstellungen beschrieben (z. B. unter dem Gliederungspunkt "Gesetze und Normen" die Formulierung "Gewährleisten eines gesetzeskonformen Betriebs sämtlicher Anlagen und Betriebseinrichtungen. Sicherstellen, dass alle Produkte die geforderten Gesetze und Normen erfüllen" mit der anschließenden Aufzählung der für das Aufgabengebiet des Delegationsempfängers einschlägigen Regelungsfelder). Als übergeordnete Aufgabengliederungspunkte sind vorgesehen: Gesetze und Normen, Personal und Organisation, Kommerziell/Vertrieb, Reporting, Technik, Zusammenarbeit/Info.
Die möglichen Verantwortungsformen und Inhalte sind jeweils in die Schnittfelder zwischen Vertikalspalte und Horizontalleiste einzutragen (Verantwortung, delegierte Verantwortung, Ausführung, Freigabe, Unterstützung, Information, Beauftragtenunterstützung, Kontrolle).
Erläuterungen einer AKV-Matrix am Beispiel der Zeilen:
Arbeitsschutz, Datenschutz, Strahlenschutz und Arbeitszeit.
Legende:
Beispiel zur AKV-Matrix
Datenschutz: Der Datenschutzbeauftragte der Organisation hat die gesamte Verantwortung im Unternehmen. Alle anderen Personen haben bei diesem Beispiel keinerlei Verantwortung für den Datenschutz, auch nicht der Geschäftsbereichsleiter. Diese Tatsache ist in den Delegationsschreiben entsprechend zu formulieren.
Arbeitssicherheit/Technische Sicherheit: Die Gesamt-Verantwortung (V) des Geschäftsbereichsleiters wurde für dieses Gebiet delegiert an den Produktionsleiter (DV, delegierte Verantwortung). Dieser wird unterstützt durch den Arbeitssicherheits-Beauftragten (BU, Beauftragten-unterstützung). ‚BU‘ weil der Arbeitssicherheits-Beauftragte üblicherweise dem Produktionsleiter in dieser Funktion nicht hierarchisch unterstellt ist.
Strahlen-/Röntgenschutz: Die Gesamt-Verantwortung (V) des Geschäftsbereichsleiters wurde für dieses Gebiet an den Produktionsleiter und den Entwicklungsleiter delegiert, jeweils für ihre Verantwortungsbereiche (DV, delegierte Verantwortung). In allen anderen Bereichen gibt es keine Notwendigkeit für entsprechende Maßnahmen. Beide werden unterstützt durch den Strahlenschutz-Beauftragten. ,BU‘ weil der Strahlenschutz-Beauftragte üblicherweise weder dem Produktionsleiter noch dem Entwicklungsleiter in dieser Funktion hierarchisch unterstellt ist.