Prof. Dr. Werner Gleißner
Risikomanagement und Controlling müssen bei Entscheidungsvorbereitung zusammenarbeiten
Traditionelle Risikomanagement-Ansätze haben oft schwerwiegende Konstruktionsfehler, die einen praktischen Nutzen in Frage stellen und potenziell sogar schwerwiegende persönliche Haftungsrisiken für die Unternehmensführung implizieren können. Es ist unzureichend, wenn das Risikomanagement (im Zusammenspiel mit Controlling, Qualitätsmanagement oder Treasury) lediglich die in einem Unternehmen bereits vorhandenen Risiken überwacht und in Risikoreports für die Unternehmensführung (und den Aufsichtsrat) turnusmäßig zusammenfasst.
Sichergestellt werden muss, dass das Risikomanagement sich nicht nur mit den bestehenden Risiken beschäftigt, sondern insbesondere auch mit Handlungsoptionen sowie geplanten Projekten und Maßnahmen. Es ist auch wenig hilfreich erst nach einer Entscheidung festzustellen, welche Implikationen diese für das Unternehmen – speziell für Risiken und Rating – nun gehabt hat. Bereits vor einer Entscheidung für eine solche Handlungsoption (wie Investition) ist aufzuzeigen, wie sich durch diese der aggregierte Gesamtrisikoumfang eines Unternehmens verändern und welche Implikationen diese Veränderungen für den Grad der Bestandsbedrohung eines Unternehmens haben würde, ausgedrückt durch eine Ratingprognose. Eine risiko- und wertorientierte Unternehmensführung erfordert ein Abwägen erwarteter Erträge und Risiken bei der Vorbereitung von Entscheidungen.
Quantitative Risikoanalyse und Risikoaggregation sind Grundlage für risikoorientierte Bewertung
Quantitative Risikoanalyse und Risikoaggregation sind Grundlage für eine tatsächlich risikoorientierte Bewertung mit risikoadäquaten Kapitalkosten, da aufgrund der empirisch vielfach belegten Kapitalmarktunvollkommenheiten traditionelle "kapitalmarktorientierte" Bewertungsverfahren (wie z. B. das CAPM) unzureichend sind. Durch die Risikoanalyse erhält man auch erst die für die Bewertung nötigen "erwartungstreuen" Schätzer der Erträge, die von den Planwerten abweichen, wenn z. B. Gefahren gegenüber Chancen dominieren.
Unabhängig davon, wie die Aufgaben für Risikoanalyse und risikogerechte Bewertung in einem Unternehmen auf Controlling und Risikomanagement verteilt sind, ist das wichtigste Einsatzfeld der Risikoanalysen die Vorbereitung von Entscheidungen, insbesondere des Top-Managements.