Alexander Schlüter, Deborah Nasca
4.3.1 Situation und Hintergrund
Robert Bosch gründete im Jahre 1886 die "Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik" und legte damit den Grundstein für die heute weltweit agierende Bosch-Gruppe. Das Unternehmen gehört zu den global führenden Technologie- und Dienstleistungsunternehmen, mit 440 Tochter- und Regionalgesellschaften in 60 Ländern. Bosch erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2017 mit über 400.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 78,1 Mrd. EUR. Weiterhin ist der Anteil des Mobilitätsbereichs vorherrschend, dieser erreichte einen 47,4 Mrd. EUR Umsatz.
Digitalisierung, die Disruption ganzer Industrien sowie immer kürzer werdende Produktlebenszyklen beeinflussen auch die Innovationslandschaft des Bosch-Konzerns. Insgesamt werden jährlich rund 10 % des Umsatzes in Innovationsaktivitäten investiert, ein Großteil davon in die Weiterentwicklung des traditionellen Produktportfolios. Um auch zukünftig eine bedeutende Rolle als Technologieführer einnehmen zu können, investierte die Bosch-Gruppe aber auch in angrenzendes Geschäft. Wählt man die Gliederungskriterien Technologie- oder Businessfokussierung sowie interne oder externe Innovationen, kann für die Bosch-Gruppe folgende Nutzung an Innovationsmaßnahmen gezeichnet werden:
Abb. 18: Einordnung grow platform in die Innovationslandschaft der Bosch-Gruppe
Während bspw. im Kerngeschäft mit internen Ressourcen vor allem technologieorientierte Innovationen angestrebt werden, wird im Bereich Mergers and Acquisitions (M&A) durch Zukäufe angestrebt, die Geschäftstätigkeit zu erweitern oder bestehendes Bosch-Geschäft zu stärken.
Die grow platform schließt eine Lücke, indem sie mit internen Ressourcen Innovationen, die neues Bosch-Geschäft zum Ziel haben, vorantreibt. Um dies erreichen zu können, werden Lean Start-Up Methoden eingesetzt und ein vom Kerngeschäft organisatorisch getrenntes Umfeld geschaffen, in dem explorativ gearbeitet werden kann. So wird eine Start-Up ähnliche Governance-Struktur geschaffen. Regelungen und Standards, die die hohe Qualität und Kosteneffizienz im Bosch Kerngeschäft sicherstellen, werden nicht angewendet. Denn für die grow Start-Ups verschiebt sich dieses Optimum im Spannungsfeld zwischen Qualität, Kosten und Zeit zugunsten von Schnelligkeit. Dabei versteht sich die grow platform als interner Inkubator für ein Portfolio von neuen Geschäftsideen. Das hat zur Folge, dass einzelne grow Start-Ups nur temporär Teil der grow platform sind. Während dieser Zeit durchlaufen die Start-Ups die Phasen Discovery, Incubation und Scaling.
Abb. 19: Phasenmodell grow platform
Während die Discovery Phase ca. 6 Monate dauert, verbleiben die Start-Ups in der Inkubationsphase je nach thematischer Ausrichtung 2 bis 4 Jahre. Während dieser Zeit werden Experimente definiert und durchgeführt, um einen Wertbeitrag für ein erkanntes Kundenproblem zu entwickeln. Dabei kann es sowohl zu großen und kleinen Richtungsänderungen (Pivots) im Geschäftsmodell kommen als auch zur vollständigen Beendigung von Start-Ups.
Um den organisatorischen Aufwand für den Konzern und die Start-Ups gering zu halten, werden alle grow Start-Ups unter einer einheitlichen Rechtseinheit geführt. Dieser Rechtseinheit unterstützend zugehörig sind außerdem das Portfolio Management und kaufmännische Shared-Service-Funktionen. Dieser Shared-Service-Organisation ist die Controllingfunktion zugeordnet.
4.3.2 Controlling im Spannungsfeld zwischen Konzern und Start-Up-Welt
Die Controllingfunktion innerhalb der grow platform wird durch Anforderungen aus dem Konzernumfeld ebenso wie von den grow Start-Ups beeinflusst. Auch können Aufgabenfelder und Herangehensweisen analog zugeordnet werden. Aufgabe des Controllers ist es somit, einerseits eine Brücke zwischen Start-Up und Konzern zu bauen aber andererseits auch die eine Welt von der anderen abzuschirmen.
So werden unter anderem das monatliche Regel-Reporting, die quartalsweisen Rolling Forecasts sowie eine jährliche Vorausplanung analog zu den traditionellen Bereichen erstellt. Das dort berichtete Kennzahlen-Set ist nützlich, um den Erfolg von eingeschwungenem Geschäft zu messen, ist jedoch zur Steuerung von Neugeschäft kaum geeignet. Bspw. kann in der frühen Inkubationsphase das Einholen von Kundenfeedback zur Produkt- und Serviceentwicklung wichtiger sein als die Realisierung schneller Umsätze. Während der Skalierungsphase kann es zudem wichtiger sein, schnelles Wachstum zu fokussieren, als möglichst schnell einen Break-even oder einen guten Deckungsbeitrag zu erreichen. Auch die Fokussierung auf Geschäftsjahre, bspw. durch eine jährliche Budgetvergabe anstelle einer meilensteinbasierten Vergabe, passt nicht zur iterativen Arbeitsweise der grow Start-Ups. Dennoch ist es notwendig, diese Reporting-Standards zu bedienen, da nur so die Planbarkeit für die Bosch-Gruppe sichergestellt werden kann. Neugeschäft wie grow Start-Ups sind einzeln schwer analog eingeschwungenem Geschäft planbar, als Portfolio können aber Mehr- und Minderbedarfe ausgeglichen werden. Aufgrund dessen werden diese Art von Standard-Reports auf Ebene der legalen Einheit ausgeführt, mit dem Zi...