Von den Pflichten der Geschäftsleitung und der persönlichen Haftung von Mitgliedern der Geschäftsleitung im Falle der Verletzung dieser Pflichten (insbesondere "intern" gegenüber dem Unternehmen) ist die Haftung des Unternehmens gegenüber Dritten zu unterscheiden.
6.1 Keine zivilrechtliche Haftung beim LkSG
Der deutsche Gesetzgeber hat die Frage, inwieweit Verletzungen von Menschenrechten oder Umweltbeeinträchtigungen in der Lieferkette eine Haftung des Unternehmens begründen können, offen gelassen und explizit geregelt, dass eine Verletzung der Pflichten aus dem LkSG keine zivilrechtliche Haftung begründet. Eine unabhängig vom LkSG begründete zivilrechtliche Haftung bleibt aber unberührt. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche zivilrechtliche Haftung bestehen könnte, ist im deutschen Recht und soweit ersichtlich auch in den ggf. anwendbaren ausländischen Rechtsordnungen bislang nicht abschließend geklärt.
6.2 Expliziter Haftungstatbestand bei der CSDDD
Eines der wohl am meisten diskutierten Themen bzgl. der CSDDD war, ob ein neuer, expliziter Haftungstatbestand für Menschenrechtsverletzungen und Umweltbeeinträchtigungen in der Lieferkette eingeführt werden sollte.
Bereits nach dem Ergebnis der Trilog-Verhandlungen war mit der Aufnahme einer expliziten Regelung zur Haftung des Unternehmens gegenüber Dritten zu rechnen. Auch nach den darauf folgenden politischen Verhandlungen blieb es im Grundsatz bei diesem Ergebnis. Opfer von Menschenrechtsverletzungen könnten auf Grundlage der Art. 29 CSDDD enthaltenen Regelung künftig Schadenersatz von Unternehmen verlangen, die ihre in Art. 10 und Art. 11 CSDDD geregelten Sorgfaltspflichten zur Vermeidung/Abmilderung von potentiellen negativen Auswirkungen und zur Beendigung von tatsächlichen negativen Auswirkungen vorsätzlich oder fahrlässig nicht erfüllt, das betreffende Recht bzw. Verbot dem Schutz der geschädigten Person dient und durch das Versäumnis die nach nationalem Recht geschützte rechtlichen Interessen dieser Person beschädigt wurden. Explizit klargestellt wird, dass das Unternehmen nicht für Schäden haftet, wenn und soweit diese durch einen Geschäftspartner in seiner Aktivitätskette verursacht wurden. Eine echte Beweislastumkehr zugunsten der Betroffenen ist vom Tisch. Allerdings können Gerichte anordnen, dass Beweise vom Unternehmen gemäß dem nationalen Verfahrensrecht offengelegt werden, wenn der Kläger eine hinreichende Begründung vorlegt, die mit zumutbarem Aufwand zugängliche Tatsachen und Beweismittel enthält, und angegeben hat, dass zusätzliche Beweismittel in der Verfügungsgewalt des Unternehmen liegen. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass es über die konkreten Voraussetzungen des neuen Haftungstatbestands im Detail noch zu zahlreichen Diskussionen kommen wird.
6.3 Ursprüngliche Verhandlungspositionen zur CSDDD
Im Einzelnen sahen die Verhandlungspositionen wie folgt aus:
- Die EU-Kommission hatte eine Regelung vorgeschlagen, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen sollen, dass Unternehmen im Grundsatz für Schäden haften, wenn sie spezifische, in der CSDDD geregelten Sorgfaltspflichten (Vermeidung potenzieller negativer Auswirkungen sowie Behebung tatsächlicher negativer Auswirkungen) nicht erfüllt haben, infolgedessen negative Auswirkungen eingetreten sind und zu einem Schaden geführt haben. Die entsprechenden nationalen Haftungsvorschriften sollten zwingend Anwendung finden und Vorrang haben, wenn das anzuwendende Recht nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist (was häufig der Fall sein wird, weil grundsätzlich das Recht am Erfolgsort Anwendung findet). Der Kommissionsvorschlag enthielt weitere Regelungen und auch Ausnahmen (insbesondere bzgl. der tieferen Lieferkette).
- Der Europäische Rat wollte diese Haftungsregelung gerne einschränkend modifizieren. U. a. schlug er vor, dass nur vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzungen relevant sind, und dies auch nur dann, wenn dadurch das nach nationalem Recht geschützte rechtliche Interesse einer natürlichen oder juristischen Person beschädigt wurde.
- Auch das Europaparlament hatte Änderungen der Haftungsregelung vorgeschlagen. U. a. sollte klargestellt werden, dass Unternehmen nur für solche Schäden haften, die sie durch ihr Verhalten (mit-)verursacht haben. Gleichzeitig sollte die Haftungsregelung auf Verletzungen sämtlicher in der CSDDD geregelten Pflichten ausgeweitet werden. Auch wollte das Europaparlament z. B. verschiedene Verfahrensregelungen ergänzen.