Prof. Dr. Karina Sopp, Dr. Martin Altenburger
Tochterunternehmen sind grds. vollumfänglich in der konsolidierten Nachhaltigkeitsberichterstattung zu berücksichtigen. Dies folgt aus ESRS 1.62. Hiernach gilt ein Nachhaltigkeitsbericht für dasselbe Bericht erstattende Unternehmen wie die Abschlüsse. Für berichtende Mutterunternehmen, die zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses verpflichtet sind, umfasst der Nachhaltigkeitsbericht die Unternehmensgruppe. Davon kann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn das berichtende Unternehmen keinen Jahresabschluss erstellen muss oder ein Unions-Tochterunternehmen ist, das zur Nachhaltigkeitsberichterstattung oder zur konsolidierten Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet ist und eine konsolidierte Nachhaltigkeitsberichterstattung quasi stellvertretend für dessen Mutterunternehmen, welches nicht den Rechtsvorschriften der EU unterliegt, erstellt. Der zuletzt genannte Sachverhalt hat eine Befreiung von der (konsolidierten) Nachhaltigkeitsberichterstattung für alle Tochterunternehmen des Mutterunternehmens zur Folge, die in der konsolidierten Nachhaltigkeitsberichterstattung des Unions-Tochterunternehmens erfasst sind. Diese Regelung gilt befristet bis zum 6.1.2030 und weist größenspezifische Anforderungen hinsichtlich der Bestimmung des Unions-Tochterunternehmens auf, welches die konsolidierte Berichterstattung übernimmt.
Während für die Nachhaltigkeitsberichterstattung die Daten auf einzelgesellschaftlicher Ebene relevant sind, berichtet das Mutterunternehmen gem. Art. 29a Bilanz-Richtlinie in der konsolidierten Nachhaltigkeitsberichterstattung über die Gruppe. Mithin ist auf Daten des Mutterunternehmens und aller Tochterunternehmen einzugehen.
Für die Erstellung des konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht hat das Mutterunternehmen eine Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen für die gesamte konsolidierte Gruppe vorzunehmen. Dies gilt unabhängig von der Rechtsstruktur der Gruppe. Die Ermittlung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen knüpft demzufolge nicht gezwungenermaßen an rechtliche Einheiten an, sondern bspw. an vergleichbare Tätigkeiten, die von den jeweiligen Tochterunternehmen ausgeübt werden, und den daraus resultierenden Risiken. Für die Wesentlichkeitsanalyse bedeutet das etwa, dass spezifische Risiken über mehrere Unternehmen hinweg ermittelt werden können, wenn die jeweiligen Tochterunternehmen dasselbe Risikoprofil aufweisen. Auch Maßnahmen zur Eindämmung dieser Risiken können unabhängig von den rechtlichen Grenzen erfasst werden. Somit könnte bei der Ermittlung der Wesentlichkeit eine Clusterung der Tochterunternehmen nach Sektoren bzw. Tätigkeiten erfolgen, wobei sich Tochterunternehmen in mehreren Clustern wiederfinden können.
Diese Vorgehensweise steht in Einklang mit den Erläuterungen der ESRS (a) zum Umgang mit erheblichen Unterschieden zwischen den wesentlichen Auswirkungen, Risiken oder Chancen in der Gruppe und (b) zum Grad der Aufschlüsselung von Nachhaltigkeitsinformationen:
- Bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den wesentlichen Auswirkungen, Risiken oder Chancen auf Gruppenebene und den wesentlichen Auswirkungen, Risiken oder Chancen eines oder mehrerer Tochterunternehmen, hat das Mutterunternehmen nach Art. 29a Abs. 4 Bilanz-Richtlinie i. V. m. ESRS 1.103 eine angemessene Beschreibung der Auswirkungen, Risiken und Chancen des bzw. der betreffenden Tochterunternehmen vorzulegen. Bei der Bewertung der Erheblichkeit der Unterschiede kann das Mutterunternehmen verschiedene Umstände berücksichtigen, z. B. eine abweichende Tätigkeit des Tochterunternehmens im Vergleich zu den anderen Unternehmen in der Gruppe.
- Das Mutterunternehmen legt bei der Bewertung der Wesentlichkeit einen geeigneten Grad der Aufschlüsselung für die Berichterstattung fest. Je nach Sachverhalt und Umständen des Unternehmens kann gem. ESRS 1.55 eine Aufschlüsselung nach Tochterunternehmen erforderlich sein. Daten können aber auch von mehreren Standorten innerhalb einer Ebene zusammengefasst werden (je nach Struktur der Gruppe kann dies zu einer aggregierten Erfassung von Tochterunternehmen führen, muss es aber nicht). Weitergehend ist auch eine Aggregation von Daten von verschiedenen Ebenen zulässig. Bei einer derartigen Zusammenfassung von Daten hat das Unternehmen jedoch sicherzustellen, "dass durch diese Aggregation die Spezifität und die Zusammenhänge, die für die Interpretation der Informationen erforderlich sind, nicht verschleiert werden. Wesentliche Elemente, die sich in ihren Eigenschaften unterscheiden, darf das Unternehmen nicht aggregieren."
Explizit in den ESRS genannte Möglichkeiten der Aufschlüsselung, die nicht an die Rechtsstruktur anknüpfen, sind Differenzierungen nach
- Ländern, wenn zwischen Ländern erhebliche Unterschiede bei den wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen bestehen (ESRS 1.54(a)),
- signifikanten Standorten oder signifikanten Vermögenswerten, wenn wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen stark von einem bestimmten Standort...