Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Nach Abschaffung der Schenkungsteuer im Königreich Schweden (Schweden) zum 01.01.2005 kann Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden 1992 bei einer Doppelansässigkeit des Schenkers im Inland und in Schweden kein Besteuerungsrecht in Schweden begründen. Dies hat zur Folge, dass die Schenkung eines in der Bundesrepublik Deutschland und zugleich in Schweden ansässigen Schenkers dem deutschen Schenkungssteuerrecht unterliegt.
Normenkette
Art. 4 DBA SWE 1992, § 2 ErbStG
Sachverhalt
Die Klägerin erhielt im Jahr 2005 im Wege der Schenkung von ihrem Vater Anteile an einer schwedischen AG. Sie war zu diesem Zeitpunkt in Schweden ansässig. Der Vater hatte im Zeitpunkt der Schenkung seinen Wohnsitz in Deutschland und in Schweden. Sein Lebensmittelpunkt lag in Schweden. Schweden hatte die Erbschaft‐ und Schenkungsteuer zu Beginn des Jahres 2005 abgeschafft. Das FA setzte gegen die Klägerin SchenkSt fest. Mit ihrem Einspruch vertrat die Klägerin die Auffassung, ihr Vater, der Schenker, sei abkommensrechtlich allein in Schweden ansässig gewesen, sodass Schweden allein über das Besteuerungsrecht verfügt habe. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die dagegen eingelegte Klage hatte Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.8.2020, 7 K 2779/18, Haufe-Index 14223714).
Entscheidung
Die Revision war begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Schenkung der Anteile durch den Vater an die Klägerin unterlag in Deutschland der SchenkSt. Die Regelung in Art. 4 DBA-Schweden 1992 stand der Besteuerung in Deutschland nicht entgegen, da in Schweden eine SchenkSt nicht mehr existierte.
Hinweis
1. Die Schenkung der Anteile an der schwedischen AG unterlag als freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der SchenkSt. Die Voraussetzungen für die unbeschränkte SchenkSt-Pflicht waren erfüllt. Für den Vater als Schenker bestand nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG eine persönliche Steuerpflicht, da er auch einen Wohnsitz im Inland hatte. Die Steuerpflicht einer der Parteien, des Schenkers oder des Beschenkten, genügt für die Begründung der inländischen Steuerpflicht.
2. Das DBA-Schweden 1992, das eine Doppelbesteuerung verhindern soll, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Ansässigkeit des Vaters in Schweden nach schwedischem Recht lag nicht vor, weil im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung kein schwedisches SchenkSt-Recht mehr bestand, das die Besteuerung der Schenkung an den Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Schweden geknüpft hätte.
3. Diesbezüglich ist zu beachten, dass die Regelungen des DBA keine Steuerpflicht begründen oder aufheben, sondern lediglich im Falle einer Doppelbesteuerung einen Konflikt auflösen, indem sie das nach nationalem Recht bestehende Besteuerungsrecht einem der beiden Staaten zuweisen. Wird aber in einem Staat aufgrund der Aufhebung der Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer kein Besteuerungsrecht begründet, besteht keine Doppelbesteuerung. Für Schweden fehlte es im vorliegenden Fall seit der Abschaffung der SchenkSt ab dem 1.1.2005 und damit auch im Schenkungszeitpunkt an einer entsprechenden nationalen Norm für die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in Bezug auf die SchenkSt. Es fehlte somit nicht nur an einer tatsächlichen, sondern auch an einer abstrakten oder virtuellen Steuerpflicht in diesem Staat.
4. Unerheblich ist, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA-Schweden im Jahr 1992 die SchenkSt in Schweden noch existierte und folglich eine "Ansässigkeit" eines Schenkers in Schweden möglich gewesen wäre. Das DBA-Schweden 1992 ist nicht so auszulegen, als existierte in Schweden das bei seinem Abschluss geltende SchenkSt-Gesetz weiterhin fort. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anwendung des Abkommens ist allein der Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Im vorliegenden Fall war zu diesem Zeitpunkt – im Jahr 2005 – die SchenkSt in Schweden bereits abgeschafft worden. Das DBA-Schweden fand danach keine Anwendung mehr, sodass die Besteuerung allein dem deutschen Recht unterlag.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.5.2023 – II R 27/20