Leitsatz
1. Falls das FG von dem letzten Änderungsbescheid keine Kenntnis erhalten, dieser Bescheid aber keinen neuen Streitpunkt in das Verfahren eingeführt hat, widerspräche es dem Sinn des § 68 Satz 1 FGO, die Entscheidung des FG nur wegen seiner Unkenntnis von dem Änderungsbescheid aufzuheben. Es reicht aus, insoweit lediglich eine Richtigstellung vorzunehmen.
2. § 23 ErbStG ist nicht auf die nach 1995 ausgeführten freigebigen Zuwendungen erbbaurechtsbelasteter Grundstücke anwendbar.
Normenkette
§ 68 Satz 1 FGO , § 23 ErbStG
Sachverhalt
Der Antragsteller erhielt im Jahr 1997 schenkweise mehre erbbaurechtsbelastete Grundstücke. Er verlangte, die Schenkungsteuer gem. § 23 ErbStG jährlich vom Jahreswert der Erbbauzinsen entrichten zu können. Das FA setzte die Steuer fest, ohne § 23 ErbStG anzuwenden. Daraufhin legte der Antragsteller Einspruch ein. Eine gleichzeitig beantragte AdV lehnte sowohl das FA als auch das FG ab.
Der Ablehnungsbeschluss des FG erging, nachdem das FA aus anderen Gründen einen Änderungsbescheid zugunsten des Antragstellers erlassen hatte, von dem das FG aber keine Kenntnis erhalten hatte. Die vom FG zugelassene Beschwerde des Antragstellers wies der BFH mit der Maßgabe als unbegründet zurück, dass der Ablehnungsbeschluss die AdV des Änderungsbescheids betrifft.
Entscheidung
1. Vorliegend handelt es sich um eine Änderung während eines gerichtlichen Verfahrens (dem AdV-Verfahren vor dem FG), aber vor Ergehen der Einspruchsentscheidung. In solchen Fällen ist dem den beiden Vorschriften des § 365 Abs. 3 AO und des § 68 FGO zugrunde liegenden Rechtsgedanken nur dadurch Genüge zu tun, dass der Änderungsbescheid über den Wortlaut des § 68 Satz 1 FGO hinaus – es fehlt noch an der dort verlangten Einspruchsentscheidung – auch als Gegenstand des finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahrens behandelt wird.
Entscheidet das FG noch über die AdV des geänderten Bescheids, weil es von dem Änderungsbescheid keine Kenntnis erhalten hat, bezieht sich die Entscheidung auf einen Bescheid, der nicht mehr Gegenstand des Verfahrens gewesen ist. Es widerspräche aber dem Sinn des § 68 Satz 1 FGO, im Beschwerdeverfahren die Entscheidung des FG aufzuheben, nur um ihm Gelegenheit zu geben, den Änderungsbescheid datumsmäßig zu erfassen, wenn durch den Änderungsbescheid kein neuer Streitpunkt in das Verfahren eingeführt worden ist.
2. Bereits die Überschrift des § 23 ErbStG, wonach die Vorschrift die "Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen" betreffen soll, lässt erkennen, dass erbbaurechtsbelastete Grundstücke nicht gemeint sind. Zwar werden diese gem. § 148 Abs. 1 BewG i.d.F. des JStG 1997 mit dem 18,6-fachen des jährlichen Erbbauzinses besteuert; dabei handelt es sich aber nur um die Bewertungsmethode für einen Erwerbsgegenstand, der als solcher von § 23 ErbStG nicht erfasst wird.
Hinweis
Ein Änderungsbescheid wird unter den Voraussetzungen des § 68 Satz 1 FGO auch dann zum Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens, wenn er zwar dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben, entgegen Satz 3 der Vorschrift aber nicht dem FG übersandt und diesem auch sonst von niemandem zur Kenntnis gebracht worden ist. Entscheidet das FG daher noch über die Rechtmäßigkeit des geänderten Bescheids und kommt dies erst in einem Revisionsverfahren oder in einem Beschwerdeverfahren nach § 128 Abs. 3 FGO auf, ist der BFH grundsätzlich gezwungen, die Vorentscheidung allein wegen dieses Verfahrensfehlers aufzuheben (vgl. Spindler in DB 2001, 61, 65) und die Sache zurückzuverweisen.
Ist durch den Änderungsbescheid aber kein neuer Streitpunkt – etwa über die Änderungsbefugnis des FA oder die mit einem Änderungsbescheid zuungunsten des Steuerpflichtigen verbundene Mehrbelastung – entstanden, stellte eine Zurückverweisung einen reinen Formalismus dar. In solchen Fällen muss es genügen, lediglich klarzustellen, dass die Vorentscheidung des FG auf den Änderungsbescheid zu beziehen ist. Dadurch wird vermieden, den Steuerpflichtigen entgegen dem Sinn des § 68 FGO wieder auf den Ausgangspunkt zurückzuwerfen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 29.8.2003, II B 70/03