Leitsatz
1. Einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung eines Konkurrenten hat ein Steuerpflichtiger unbeschadet des Steuergeheimnisses dann, wenn er substanziiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können.
2. Die Auskunft darf erteilt werden, wenn die Konkurrentenklage nicht offensichtlich unzulässig wäre; die Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem Auskunftsantragsteller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen.
3. Der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL enthaltene Grundsatz der steuerlichen Neutralität kann von einem Steuerpflichtigen im Weg der Konkurrentenklage geltend gemacht werden, wenn Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die Tätigkeiten oder Leistungen, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, als Nichtsteuerpflichtige behandelt werden und dies zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 8.6.2006, Rs. C-430/04).
4. Es kommt ernstlich in Betracht, § 2 Abs. 3 UStG drittschützende Wirkung beizulegen.
Normenkette
Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG, § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO, § 2 Abs. 3 UStG
Sachverhalt
Ein privater Verein betreibt ein Krematorium. In einer nicht weit entfernten Gemeinde besteht ein von der Gemeinde betriebenes Krematorium. Der Verein meinte festgestellt zu haben, dass zahlreiche Bestattungsunternehmer zu dem Krematorium der Gemeinde abgewandert sind; er hatte den Verdacht, dass das darauf beruhe, dass ihn die Gemeinde mit ihren Gebühren für die Einäscherung deshalb unterbieten könne, weil sie die Umsätze ihres Krematoriums nicht der USt unterwirft. Dagegen wollte er sich vor Gericht wehren. Zur Vorbereitung verlangte er vom FA Auskunft, wann der letzte noch anfechtbare USt-Bescheid gegen die Gemeinde ergangen ist und ob darin die Umsätze des Krematoriums erfasst sind. Das FA lehnte diese Auskunft ab, weil ihr das Steuergeheimnis entgegenstehe.
Mit Beschluss vom 8.7.2004, VII R 24/03, BFH-PR 2006, 486 hatte der BFH eine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt, mit der er klären wollte, ob sich aus dem Gemeinschaftsrecht, nämlich der 6. EG-RL, ergibt, dass die von dem Verein in Aussicht genommene Konkurrentenklage zulässig ist. Der EuGH hat darauf eine Antwort gegeben, in der auf das Problem der Konkurrentenklage nicht erkennbar eingegangen, aber der 6. EG-RL "Drittwirkung" gegenüber dem privaten Konkurrenten eines Betriebs der öffentlichen Hand, wenn dieser öffentliche Gewalt ausübt, beigelegt wird (Urteil vom 8.6.2006, Rs. C-430/04, HFR 2006, 830).
Der BFH hatte jetzt dieses Urteil des EuGH für den Streitfall umzusetzen.
Entscheidung
Das Steuergeheimnis steht der Auskunftserteilung nicht entgegen.
Es kommt dabei nicht darauf an, ob eine Konkurrentenklage wirklich zulässig ist, sondern nur darauf, ob dies möglicherweise der Fall ist.
Diese Möglichkeit ergibt sich aufgrund der Vorabentscheidung des EuGH sowohl aus der 6. EG-RL wie aber auch aus § 2 Abs. 3 UStG.
Hinweis
Durch das Steuergeheimnis geschützte Daten dürfen dann Dritten offenbart werden, wenn dies der Durchführung eines Verfahrens in Steuersachen dient. Will ein solcher Dritter wegen der Besteuerung eines anderen ein Verfahren anstrengen (Drittwiderspruch oder Konkurrentenklage), steht das Steuergeheimnis also nicht entgegen, ihm an sich durch das Steuergeheimnis geschützte Daten des Steuerpflichtigen zu offenbaren.
Heikler ist die Frage, ob ein solcher Dritter bereits im Vorfeld eines solchen Verfahrens, das er wegen der Besteuerung anstrengen will, Auskunft über steuerliche Daten verlangen kann. Das hat der BFH in der Besprechungsentscheidung grundsätzlich bejaht, weil dem Dritten nicht zugemutet werden könne, gleichsam ins Blaue hinein wegen der Besteuerung seines Konkurrenten ein Verfahren einzuleiten, um dann erfahren zu müssen, dass dieser entgegen seiner Mutmaßung gesetzmäßig besteuert worden ist. Für diese zugunsten des Dritten relativ großzügige Bewertung spricht maßgeblich, dass dem Steuerpflichtigen gar nicht damit gedient ist, wenn seine Daten zunächst geheim gehalten und erst im Rahmen einer Konkurrentenklage bzw. eines Widerspruchs dann doch offenbart werden; aus seiner Sicht dürfte es ziemlich einerlei ein, ob das Steuergeheimnis im Auskunftsverfahren durchbrochen wird oder erst im Rechtsbehelfsverfahren wegen der Besteuerung selbst.
Ein Auskunftsanspruch setzt aber voraus, dass die unter Durchbrechung des Steuergeheimnisses offenbarten Daten der Durchführung eines Verfahrens in Steuersachen dienen. Da...