Leitsatz
Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine selbstständige Zweimonatsfrist, die mit der Zustellung des angefochtenen Urteils beginnt. Innerhalb dieser Frist ist die Beschwerde auch dann zu begründen, wenn die Einlegungsfrist versäumt worden und deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist (vgl. BverwG, Beschluss vom 2.3.1992, 9 B 256/91, NJW 1992, 2780, zu § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Normenkette
§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO , § 56 FGO
Sachverhalt
Das Urteil des FG, mit dem die Klage abgewiesen wurde, war dem früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers (F) gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Darauf hatte F als Zugangsdatum den 11.3.2002 vermerkt. Auf den Hinweis, dass die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 15.4.2002 beim BFH verspätet sei, beantragte der jetzige Prozessbevollmächtigte (P) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Urteil sei erst am 15.3.2002 zugegangen, F habe versehentlich ein zu frühes Datum bescheinigt.
Das Schreiben, das am 27.5.2002 beim BFH einging, enthielt außer dem Wiedereinsetzungsantrag auch eine Begründung der Beschwerde. Auf den Hinweis, dass die Begründungfrist versäumt sei, beantragte P auch insoweit Wiedereinsetzung.
Entscheidung
Der BFH verwarf die Beschwerde wegen Versäumung der Frist zu ihrer Begründung als unzulässig. Die Begründungsfrist laufe unabhängig von der Einlegungsfrist ab. Da Rechtsunkenntnis eines Prozessbevollmächtigten kein Entschuldigungsgrund sein könne, komme eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.
Hinweis
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Aus dem Wortlaut dieser Regelung geht hervor, dass die Begründungsfrist eine selbstständige, vom Lauf der Einlegungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde unabhängige Zweimonatsfrist ist. Die Begründungsfrist beginnt in jedem Fall mit der Urteilszustellung zu laufen – also auch dann, wenn wegen der Versäumung der Einlegungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist. Für die Berechnung der Begründungsfrist kommt es weder darauf an, wann die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist, noch darauf, wann die einmonatige Einlegungsfrist abgelaufen ist.
2. Da im vorliegenden Fall – selbst nach dem klägerischen Vortrag – das FG-Urteil spätestens am 15.3.2002 zugestellt worden war, war am 27.5.2002 (dem Tag des Eingangs der Beschwerdebegründung beim BFH) die zweimonatige Begründungsfrist bereits abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte nicht gewährt werden, weil der Prozessbevollmächtigte nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Seine unzutreffende Rechtsauffassung, eine Begründung sei so lange nicht erforderlich, wie über die Einhaltung der Einlegungsfrist nicht entschieden sei, stellt für ihn als Angehöriger eines rechts- und steuerberatenden Berufs kein unverschuldetes Hindernis i.S.d. § 56 FGO dar.
3. Die zweimonatige Begründungsfrist in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO entspricht der gleichlautenden Vorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Regelung ist durch das 2. FGOÄndG mit Wirkung ab 1.1.2001 in die FGO eingeführt worden. Die Neuregelung beinhaltet gegenüber der bisherigen Regelung in § 115 Abs. 3 FGO a.F. erhebliche Erleichterungen zugunsten der Beschwerdeführer. Denn bislang musste die Nichtzulassungsbeschwerde nicht nur innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Urteils eingelegt, sondern innerhalb dieses Zeitraums auch begründet werden. Darüber hinaus war eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht möglich. Nunmehr beträgt die Begründungsfrist zwei Monate und kann auf Antrag durch den Senatsvorsitzenden beim BFH um einen weiteren Monat verlängert werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 16.10.2003, XI B 95/02