Leitsatz
Das halbstündige oder stundenweise Überlassen von Zimmern in einem "Stundenhotel" ist keine Beherbergung i.S.v. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG.
Normenkette
§ 4 Nr. 12 Buchst. a Satz 2 UStG
Sachverhalt
Die Klägerin begehrte für die halbstündige oder stundenweise Überlassung von Zimmern in ihrem Hotel den ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt lehnt dies ab. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG Hamburg, Urteil vom 7.5.2014, 2 K 293/13, Haufe-Index 7183057, EFG 2014, 1832) hatten im Wesentlichen keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Es liege zwar eine Vermietung vor. Die von der Klägerin begehrte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes komme aber mangels Beherbergung nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht ergebe sich aus dem Fehlen einer Beherbergung allerdings nicht die Anwendung des Regelsteuersatzes, sondern die Steuerfreiheit. Ein Verzicht nach § 9 UStG kam mangels Vermietung der Hotelzimmer an Unternehmer für unternehmerische Zwecke nicht in Betracht. Im zweiten Rechtsgang ist über den sich aus der Steuerfreiheit ergebenden Verlust des Vorsteuerabzugs zu entscheiden.
Hinweis
1. Im Bereich der Vermietung von unbeweglichen Vermögen besteht ein dreistufiges Besteuerungssystem.
a) Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG insbesondere "die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken" (ebenso unionsrechtlich Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL).
b) Steuerpflichtig ist demgegenüber nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG insbesondere "die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält". Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 135 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL. Danach ist insbesondere die "Gewährung von Unterkunft nach den gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Hotelgewerbes oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung einschließlich der Vermietung in Ferienlagern" von der Steuerfreiheit für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ausgeschlossen.
Systematisch ist § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ein Ausnahmetatbestand zu § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG unterscheidet sich vom Grundtatbestand des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG durch die an den Mietgegenstand zu stellenden Anforderungen, bei dem es sich um zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltene Wohn- und Schlafräume handeln muss (BFH vom 22.8.2013, V R 18/12, BFH/NV 2013, 2026, BStBl II 2013, 1058).
c) Im vorstehend beschriebenen Anwendungsbereich des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ordnet § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes an. Dabei ist das von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStGwortlautidentisch verwendete Tatbestandsmerkmal der "Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält" einheitlich auszulegen (BFH vom 22.8.2013, V R 18/12, BFH/NV 2013, 2026, BStBl II 2013, 1058).
2. Folge dieser dreistufigen Systematik ist, dass eine Versagung des ermäßigten Steuersatzes mangels Beherbergung zur Steuerfreiheit führt. Eine Steuerpflicht kann sich dann nur aus einem Verzicht nach § 9 UStG ergeben.
3. Dies kann zu dem kuriosen Ergebnis führen, dass es sich bei einer halbstündigen oder stundenweise Überlassung von Hotelzimmern zwar um eine Vermietung handelt, es aber an einer Beherbergung fehlt. Letztere soll nach Auffassung des BFH z.B. dann fehlen, wenn der Schwerpunkt der Leistung nicht in der Überlassung zu Wohn- oder Schlafzwecken liegt, sondern in der Einräumung der Möglichkeit, in den Räumen sexuelle Dienstleistungen zu erbringen oder zu konsumieren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.9.2015 – V R 30/14