Sachverhalt
Bei der Klage der EU-Kommission gegen Finnland ging es um die Veräußerung und die Einfuhr von Kunstwerken durch Künstler. Die Kommission hatte Finnland einen Verstoß gegen Artikel 2 der 6. EG-Richtlinie vorgeworfen, weil nach finnischem Umsatzsteuerrecht die Veräußerung von Kunstwerken durch den Künstler oder einen Vermittler sowie die Einfuhr unmittelbar vom Künstler erworbener Kunstwerke von der Umsatzsteuer befreit sei. Eine solche Befreiungsmöglichkeit sei in der 6. EG-Richtlinie nicht vorgesehen und Finnland könne sich auch nicht auf Anhang XV Teil IX Nr. 2 der Beitrittsakte beziehen.
Entscheidung
Der EuGH hat der Klage stattgegeben und Finnland entsprechend verurteilt. Die 6. EG-Richtlinie enthält keine Vorschrift, nach der die Lieferung bzw. die Einfuhr von Kunstwerken umsatzsteuerbefreit wäre. Bis zum In-Kraft-Treten der Richtlinie des Rates vom 14.2.1994 (94/5/EG) zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG - Sonderregelung für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten - sog. Gebrauchtwaren-Richtlinie - konnten die Mitgliedstaaten aufgrund einer Protokollerklärung des Rates und der Kommission anlässlich der Annahme der sog. Steuersatz-Richtlinie ihre Mehrwertsteuerregelung für Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke selbst festlegen (vgl. Protokollerklärung zu Artikel 1 Nr. 1 Buchst. c der Steuersatz-Richtlinie).
Aufgrund der Gebrauchtwaren-Richtlinie sind Umsätze mit Kunstgegenständen (sowie Sammlungsstücken und Antiquitäten) grundsätzlich nach Artikel 12 Abs. 3 Buchst. a erster Unterabsatz der 6. EG-Richtlinie dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen, d.h. die Umsätze sind umsatzsteuerpflichtig. Nach Artikel 12 Abs. 3 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes insbesondere bei der Einfuhr von Kunstgegenständen aus Drittstaaten vorzusehen. Wenn dies geschieht, können die Mitgliedstaaten auch den ermäßigten Steuersatz auf die Lieferungen von Kunstgegenständen anwenden, die von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolgern bewirkt werden (Artikel 12 Abs. 3 Buchst. c Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie).
Finnland hat zwar aufgrund von Artikel 151 i.V.m. Anhang XV Teil IX Nr. 2 Buchst. n der Akte über die Beitrittsbedingungen und die Anpassungen der die Union begründenden Verträge infolge des Beitritts Finnlands zur EU zum 1.1.1995 die Möglichkeit, Artikel 28 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Anhang F Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie anzuwenden. Nach dieser Vorschrift dürfen die Mitgliedstaaten für eine Übergangszeit die Dienstleistungen der Autoren, Künstler und Interpreten von Kunstwerken sowie Dienstleistungen von Rechtsanwälten und Angehörigen anderer freier Berufe, mit Ausnahme der ärztlichen oder arztähnlichen Heilberufe, soweit es sich nicht um Leistungen i.S. des Anhangs B der 2. EG-Richtlinie handelt, weiterhin von der Umsatzsteuer befreien. Diese Bestimmung, die nach dem EuGH-Urteil als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist, betrifft jedoch ausdrücklich nur die Dienstleistungen der Künstler, nicht deren Lieferungen. Finnland kann sich also bezüglich der Lieferungen bzw. der Einfuhr von Kunstwerken durch die Künstler nicht auf diese Übergangsregelung berufen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 07.03.2002, C-169/00
(Kommission/Finnland)