BMF, Schreiben v. 23.10.2008, IV C 5 - S 2334/08/10010, BStBl I 2008, 961
Bezug: Erörterungen in den Sitzungen LSt II/2008 zu TOP 2b und LSt III/2008 zu TOP 8
Zu den Urteilen des BFH vom 4.4.2008, VI R 85/04 (BStBl 2008 II S. 887) und VI R 68/05 (BStBl 2008 II S. 890) gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:
Die Rechtsgrundsätze der Urteile werden von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nicht geteilt. Das BFH-Urteil, VI R 85/04, ist nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Das BFH-Urteil, VI R 68/05, ist im Ergebnis im Wege der nachfolgenden Billigkeitsregelung anzuwenden.
Wird der geldwerte Vorteil aus der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten typisierend nach der 1 %-Regelung besteuert, so ist der geldwerte Vorteil um monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu erhöhen, wenn das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden kann (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG).
Der BFH vertritt in seinen Urteilen vom 4.4.2008, VI R 85/04 (BStBl 2008 II S. 887) und VI R 68/05 (BStBl 2008 II S. 890) die Auffassung, dass der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nur zur Anwendung kommt, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzt. Wird dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch für diese Fahrten überlassen, so besteht laut BFH ein Anscheinsbeweis für eine entsprechende Nutzung. Wird der Dienstwagen auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur auf einer Teilstrecke eingesetzt, beschränkt sich der Zuschlag nach der Auffassung des BFH (Urteil VI R 68/05) auf diese Teilstrecke. Der Anscheinsbeweis, dass der Arbeitnehmer den Dienstwagen für die Gesamtstrecke nutze, sei entkräftet, wenn für eine Teilstrecke eine auf den Arbeitnehmer ausgestellte Jahres-Bahnfahrkarte vorgelegt werde. Wird der Dienstwagen einmal wöchentlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt, so hängt der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG laut BFH (Urteil VI R 85/04) von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten ab. Zur Ermittlung des Zuschlags sei eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen.
Eine solche auf den Umfang der tatsächlichen Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abstellende Auslegung der Vorschrift § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG entspricht weder dem Wortlaut noch dem Zweck des Gesetzes. § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG lassen zur Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur zwei Methoden zu: Die pauschale Nutzungswertermittlung (1 %-Regelung) und die individuelle Nutzungswertermittlung (Fahrtenbuchmethode).
Der Umfang der tatsächlichen Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist für die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG unerheblich, denn nach dem Gesetzeswortlaut („kann … genutzt werden”) und dem Zweck des Gesetzes, kommt es allein darauf an, ob der Arbeitnehmer die objektive Möglichkeit hat, das betriebliche Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu nutzen. Bereits die Verfügbarkeit des Kraftfahrzeugs für diese Fahrten führt zu dem geldwerten Vorteil. Es entspricht nicht dem gesetzgeberischen Willen, entgegen dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG eine Einzelbewertung der Fahrten entsprechend § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG vorzunehmen. Die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist eine Typisierung, die der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens dient. Mit einer über die Fahrtenbuchmethode hinausgehenden Einzelbewertung der Fahrten würde der typisierende und vereinfachende Charakter der Regelung zunichte gemacht und der Gesetzesvollzug erschwert.
Zu dem BFH-Urteil vom 4.4.2008, VI R 68/05 (BStBl 2008 II S. 890) gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:
Setzt der Arbeitnehmer ein ihm überlassenes Kraftfahrzeug bei den Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte oder bei Familienheimfahrten nur für eine Teilstrecke ein, weil er regelmäßig die andere Teilstrecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt, so ist der Ermittlung des pauschalen Nutzungswerts die gesamte Entfernung zugrunde zu legen. Ein Nutzungswert auf der Grundlage der Entfernung, die mit dem Kraftfahrzeug tatsächlich zurückgelegt worden ist, kommt in Betracht, wenn das Kraftfahrzeug vom Arbeitgeber nur für diese Teilstrecke zur Verfügung gestellt worden ist. Der Arbeitgeber hat die Einhaltung seines Verbots zu überwachen (BMF-Schreiben vom 28.5.1996, BStBl 1996 I S. 654).
Aus Billigkeitsgründen kann der pauschale Nutzungswert auch dann auf der Grundlage der Entfernung, die mit dem Kraftfahrzeug tatsächlich zurückgelegt worden ist, ermittelt werden, wenn für die restliche Teilstreck...