Kai Grönke, Adrian Glöckner
Treiber der digitalen Transformation
Um potenzielle Entwicklungswege sowie Konsequenzen aufzuzeigen, ist es zunächst sinnvoll, sich den Ursprung der bereits eingetretenen und sich fortan verstärkenden Veränderungen im Finanzbereich und allen anderen Unternehmensbereichen zu vergegenwärtigen. Dieser liegt in der technologischen Weiterentwicklung insbesondere von Informations- und Kommunikationstechnik sowie der rasanten Steigerung der verfügbaren Rechenkapazität in der jüngeren Vergangenheit. Folgende Technologien und Konzepte stehen als Treiber der digitalen Transformation derzeit im Fokus.
Abb. 1: Aktuelle Treiber der digitalen Transformation
Die aktuelle Befragung (CFO-Studie) durch Horváth & Partners von mehr als 200 Führungskräften im Finanzbereich zeigt an dieser Stelle, dass wenige Unternehmen mit den in Abb. 1 gezeigten Technologien und Konzepten vertraut sind. Daher soll der folgende Abschnitt anhand von zwei klassischen Accounting- und Controllingprozessen beispielhaft demonstrieren, welche Möglichkeiten hinsichtlich Prozessautomatisierung im Finanzbereich bereits heute existieren. So werden auf der einen Seite die Technologien "Robotic Process Automation" sowie "Predictive Analytics" näher vorgestellt. Auf der anderen Seite wird aufgezeigt, wie Prozesse durch den Einsatz moderner Technologien in einer digitalen Finanzorganisation (teil-)automatisiert ablaufen können.
2.1 Systemübergreifende Prozessautomatisierung durch Robotic Process Automation
Robotic Process Automation ermöglicht Automatisierung komplexer Prozessketten
Viele Firmen haben bereits vor einigen Jahren mit ihren Bemühungen hinsichtlich Prozessautomatisierung begonnen. So sind bspw. optische Belegverarbeitungssysteme und "Optical Character Recognition" (kurz OCR) – d. h. das automatische Erkennen und Einlesen von (Papier-)Dokumenten – inzwischen weitverbreiteter Standard. Auch digitale "Workflows" sind in diesem Kontext zu nennen. Bei den bisherigen Anstrengungen wurden jedoch ausschließlich Prozessschritte mit geringer Komplexität teilweise automatisiert. Diese Prozessschritte sind u. a. dadurch charakterisiert, dass sie nur in einem IT-System abgebildet sind. Im Zuge der flächendeckenden Ausbreitung von "Robotic Process Automation" (kurz: RPA) werden in den nächsten Jahren auch komplexere Prozessketten systemübergreifend automatisiert. Die Ausführung der Prozessschritte kann dabei mehrere IT-Systeme umfassen. Dies wird möglich, da durch die Anwendung von RPA die System- und Applikationsgrenzen überwunden werden und die Automatisierung auch ohne die Programmierung von komplexen Schnittstellen erfolgen kann.
Prinzipiell versteht man unter RPA die selbstständige Ausführung wiederkehrender, regelbasierter und auf strukturierten Daten fußender Prozessschritte oder -ketten durch spezifisch programmierte Software-Roboter. Diese Software-Roboter (auch "Bots" genannt) operieren i. d. R. auf der Ebene der herkömmlichen Benutzeroberfläche ("Graphical User Interface"). Bereits heute können RPA-Lösungen Abschluss- oder Kreditorenprozesse nahezu vollständig ohne menschliches Eingreifen ausführen. In Abb. 2 werden der herkömmliche und der durch RPA durchgeführte Kreditorenprozess exemplarisch gegenübergestellt. Damit soll veranschaulicht werden, wie die einzelnen Teilprozesse des Kreditorenprozesses mit RPA zusammengefasst und ausgeführt werden. Mithilfe von RPA werden die einzelnen Prozessschritte nicht nur wesentlich schneller als von Menschenhand durchgeführt, sondern auch konsistent fehlerfrei.
Abb. 2: Gegenüberstellung der Kreditorenprozesse
Durch RPA lassen sich erwiesenermaßen Effizienzgewinne sowie die gleichzeitige Steigerung der Prozess- und Ergebnisqualität erzielen. Diese Vorteile können durch die Entkopplung von Mitarbeiterkapazität und Transaktionsvolumen erklärt werden. Die CFO-Studie von Horváth & Partners zeigt, dass Kosteneinsparungen von bis zu 30 % durch die Nutzung von RPA-Technologien möglich sind.
2.2 Paradigmenwechsel im Forecasting-Prozess durch Predictive Analytics
Erhöhung der Forecasting-Genauigkeit durch proaktiv-prognostizierende Auswertung von Big Data
Auch vor dem Bereich Controlling macht die Digitalisierung nicht Halt. Entscheidungsträger müssen sich zukünftig auf einen durch die Digitalisierung getriebenen Paradigmenwechsel im Bereich Planung und Forecasting einstellen. Die aktuell in der Controllinglandschaft noch weit verbreiteten reaktiv-analytischen Auswertungen von Vergangenheitsdaten werden dabei sukzessive durch proaktiv-prognostizierende Ansätze ersetzt werden. Möglich wird dies durch "Treibermodelle" aus fachlicher Sicht und "Predictive Analytics" aus technischer Sicht – kombiniert mit nahezu unbegrenzten, (un-)strukturierten Daten ("Big Data").
Mit der Verknüpfung beider Sichten können so die Schwachstellen der analogen Vergangenheit bzw. Realität überwunden werden. Diese lagen in erster Linie oftmals in der hohen Anzahl an Ressourcen, die durch eine Prognoseerstellung gebunden sind, als auch in der unzureichenden Forecast-Genauigkeit. Hinzu kommt in vielen Fällen der Kritikpunkt, dass der Forecast ohnehin politisch-motiviert sei, sprich bewusst in die eine od...