Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Verlegt ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort weg und nutzt daraufhin eine bereits vorhandene Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen als Zweithaushalt (sog. Wegverlegungsfall), so wird die doppelte Haushaltsführung mit Umwidmung der bisherigen Wohnung des Steuerpflichtigen in einen Zweithaushalt begründet (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
2. Mit dem Zeitpunkt der Umwidmung beginnt in sog. Wegverlegungsfällen die Dreimonatsfrist für die Abzugsfähigkeit von Verpflegungsmehraufwendungen.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1, 2, 5 und 6, § 9 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
K hatte mehrere Jahre in A gewohnt und war dort nicht selbstständig beschäftigt. Nach der Eheschließung im Mai 2008 begründeten K und seine Frau ihren Familienwohnsitz in B. Die Wohnung am Beschäftigungsort in A behielt K als Zweitwohnung bei. Mit der ESt-Erklärung für 2009 begehrte K Verpflegungsmehraufwand für eine doppelte Haushaltsführung ab dem Tag seiner polizeilichen Meldung in B (Juni 2008). Das verweigerte das FA, weil K bereits vor Begründung der doppelten Haushaltsführung länger als drei Monate am Beschäftigungsort in A gewohnt habe. Das FG gab der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 9.1.2013, 15 K 318/12 E, Haufe-Index 3609577, EFG 2013, 417).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG, wie in den Praxis-Hinweisen erläutert.
Hinweis
Der Besprechungsfall hier behandelt ähnlich wie das Urteil vom 8.10.2014 (VI R 95/13, BFH/NV 2015, 254, BFH/PR 2015, 76) Verpflegungsmehraufwand und doppelte Haushaltsführung. Hier war streitig, ob die ersten 3 Monate, auf die bei doppelter Haushaltsführung ein Verpflegungsmehraufwand begrenzt ist, schon abgelaufen waren (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 und 5 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG), nachdem K in der Wohnung ja schon länger gewohnt hatte.
1. Der Verpflegungsmehraufwand ist seit 1996 gesetzlich geregelt; bezweckt war Steuervereinfachung (BT-Drucks. 13/901, S. 129; BT-Drucks. 13/1558, S. 143). Die Regelung war schon mehrfach Gegenstand von Urteilen auch im Hinblick auf verfassungsrechtliche Fragen (z.B. BFH, Urteile vom 8.7.2010, VI R 10/08, BFH/NV 2010, 2324, BFH/PR 2011, 5). Dies gilt auch für die Dreimonatsfrist. Denn danach kommt es nun – entgegen dem ursprünglichen Regelungszweck der Entfernungspauschale – nicht mehr darauf an, ob dem Steuerpflichtigen die Verpflegungssituation vor Ort konkret bekannt war. Deshalb ist Verpflegungsmehraufwand nicht schon vor Ablauf der 3 Monate ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer doppelten Haushaltsführung in der nämlichen Wohnung erneut eine doppelte Haushaltsführung begründet wird (z.B. BFH, Urteil vom 8.7.2010, VI R 15/09, BFH/NV 2010, 2326, BFH/PR 2011, 4). Gleiches gilt, so jetzt der BFH hier, wenn die doppelte Haushaltsführung durch eine sog. Wegverlegung begründet wird. "Wegverlegung" meint eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung in der Form, dass ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt, diese Wohnung sodann zum Zweithaushalt umwidmet und darauf in dieser Wohnung am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt begründet, um von dort seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachgehen zu können ("Wegverlegungsfall", BFH, Urteile vom 5.3.2009, VI R 58/06, BFH/NV 2009, 1173, BFH/PR 2009, 290). Der Wortlaut der Dreimonatsfrist ließ wenig Spielraum – und schließlich sprach gegen eine einschränkende Auslegung auch die Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts (Gesetz vom 20.2.2013, BGBl I 2013, 285). Denn der Gesetzgeber hat auch dort die Dreimonatsfrist unverändert gelassen.
2. Diese Grundsätze zur Berechnung der Dreimonatsfrist hatte die Vorinstanz beachtet und sich insbesondere nicht von rechtspolitischen Überlegungen leiten lassen (dazu VI R 95/13 in BFH/PR 2015, 76). Deshalb konnte K für die ersten drei Monate den Verpflegungsmehraufwand geltend machen, auch wenn ihm die Verpflegungssituation vor Ort natürlich bestens bekannt gewesen war.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 8.10.2014 – VI R 7/13