Zusammenfassung
Die Erfüllung der neuen Standards für die CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordert eine Wesentlichkeitsanalyse. Denn nur die als wesentlich bewerteten Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) sind berichtspflichtig. Grundlage hierfür ist das Prinzip der doppelten Materialität. Unternehmen müssen analysieren, bei welchen ESG-Themen sie mit ihrer Geschäftstätigkeit erhebliche Auswirkungen auf Menschen und Umwelt haben und welche ESG-Themen die finanzielle Entwicklung des Unternehmens zukünftig erheblich beeinflussen können.
1 Hintergrund
Am 28. November 2022 wurde die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im Rat der Europäischen Union angenommen. Die EU möchte damit den Umbau der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit beschleunigen. Durch die neue Richtlinie wird die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung grundlegend reformiert und deutlich ausgeweitet. Europaweit werden in Zukunft rund 49.000 Unternehmen berichtspflichtig sein, darunter auch ein Großteil des deutschen Mittelstands. Die neuen Berichtspflichten werden ab dem Geschäftsjahr 2024 gestaffelt eingeführt. Nachhaltigkeitsbezogene Angaben müssen zukünftig in einem gesonderten Abschnitt des (Konzern-) Lageberichts veröffentlicht und geprüft werden.
Zur Umsetzung der neuen Berichtsplichten gibt es Entwürfe für zwölf EU-Berichtsstandards, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), welche von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) vorbereitet wurden. Die ESRS-Entwürfe (Set 1) wurden nach einer Konsultations- und Überarbeitungsphase am 31. Juli 2023 von der Europäischen Kommission als delegierter Rechtsakt erlassen und sind damit als verbindliche Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Europäischen Union festgelegt. Ein wesentlicher Bestandteil der neuen Berichtsanforderungen ist die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse nach dem Grundsatz der doppelten Materialität.
2 Verfahren
Abb. 1: Grundprinzip der doppelten Wesentlichkeit
Abbildung 1 zeigt das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit bzw. Materialität, welches auf die ESG-Themen (Environment, Social, Governance) anzuwenden ist. Dieser Grundsatz ist nicht neu, sondern bereits in der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) angelegt, nach der große börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen bislang berichteten. Das Prinzip wird in den neuen Standards aber deutlich klarer und verbindlicher eingefordert. Demnach ist ein ESG-Thema wesentlich und damit berichtspflichtig, wenn eines der beiden nachfolgenden Kriterien erfüllt ist:
- Inside-out Perspektive: Das Unternehmen hat in dem ESG-Thema erhebliche Auswirkungen (Impacts) auf Menschen oder die natürliche Umwelt (Impact-Materialität).
- Outside-in Perspektive: Das ESG-Thema hat erhebliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen (Finanzielle Materialität).
In der Logik der CSRD-Berichterstattung reicht bereits die Wesentlichkeit in einer der beiden Perspektiven aus, damit ein Thema berichtspflichtig wird (vgl. Abb. 2). Dieses Vorgehen unterscheidet sich von der bislang gängigen Praxis, in der in der nichtfinanziellen Erklärung gemäß der Wesentlichkeitsdefinition nach §289c Abs. 3 Satz 1 HGB auf Themen fokussiert wird, die durch eine Überlappung von Außenperspektive (Relevanz für die Stakeholder) und Innenperspektive (Relevanz für das Unternehmen) ermittelt wurden. Grundlegende Aspekte zur Beurteilung der Wesentlichkeit nach den neuen Berichtsstandards werden im Folgenden erläutert.
Abb. 2: Berichtsumfang von Nachhaltigkeitsthemen