Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Beim Dropshipping liegen umsatzsteuerrechtlich nur Lieferungen (Rechtsgeschäfte) vor. Einerseits liefert der Großhändler oder Hersteller die Ware an den eingeschalteten Online-Händler (Unternehmer, der das Dropshipping betreibt) und andererseits liefert der Online-Händler den Gegenstand an den (End)Kunden. Erfüllt werden die beiden Lieferungen (Rechtsgeschäfte) durch den unmittelbaren Warentransport vom Großhändler oder Hersteller zum (End)Kunden. Die Umsatzsteuer folgt insoweit den zivilrechtlichen Strukturen (den Rechtsgeschäften).
Der Online-Händler, der das Dropshipping betreibt, ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG und muss deshalb alle umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften beachten. Unerheblich ist dabei, welcher Nationalität der Unternehmer ist, es kommt ausschließlich darauf an, wo er nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften Leistungen ausführt.
Kleinunternehmereigenschaft prüfen
Insbesondere bei jungen Unternehmen kann allerdings geprüft werden, ob die Kleinunternehmerregelung anzuwenden ist. Hat der Gesamtumsatz bis Ende 2024 im vorangegangenen Kalenderjahr nicht 22.000 EUR überschritten und wird voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr nicht mehr als 50.000 EUR betragen, liegt Kleinunternehmereigenschaft vor.
Zum 1.1.2025 werden die Regelungen zur Kleinunternehmerbesteuerung unionsrechtlich neu ausgerichtet. Für Leistungen im Inland gilt dann eine Gesamtumsatzgrenze im vorangegangenen Kalenderjahr von 25.000 EUR. Wurde diese Grenze nicht überschritten, liegt im laufenden Kalenderjahr Kleinunternehmerbesteuerung solange vor, bis ein Gesamtumsatz von 100.000 EUR überschritten ist. Darüber hinaus können erstmals ab 2025 auch grenzüberschreitende Sachverhalte in der Europäischen Union in anderen Mitgliedstaaten zur Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung führen. Dies muss für alle Unternehmer geprüft werden, die innerhalb der Europäischen Union nicht über einen Umsatz von insgesamt 100.000 EUR hinauskommen.
Mit dem Rechtsgeschäft gegenüber dem Kunden führt der Unternehmer eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG aus. Für diesen Umsatz muss der Ort der Lieferung nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften festgelegt werden. Da der Gegenstand beim Dropshipping unmittelbar von dem Großhändler zu dem (End)Kunden versandt wird, liegt ein sog. Reihengeschäft nach § 3 Abs. 6a UStG vor.
Reihengeschäft
Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer (Großhändler oder Hersteller und Online-Händler) über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte (jeweils Lieferungen) ausführen und der Gegenstand dabei unmittelbar vom ersten Unternehmer (Großhändler) zum letzten Abnehmer (Kunde) gelangt. Bei einem Reihengeschäft liegt immer nur eine Beförderungs- oder Versendungslieferung (bewegte Lieferung) vor, deren Ort sich regelmäßig nach der Grundregelung des § 3 Abs. 6 UStG richtet und (eine oder mehrere) ruhende Lieferungen nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG.
Bei den nachfolgenden Ausführungen wird von dem klassischen Fall des Dropshippings ausgegangen, bei dem der Gegenstand unmittelbar vom Großhändler oder Hersteller unmittelbar zum (End)Kunden befördert oder versendet wird. Ebenfalls wird davon ausgegangen, dass der Transport der Ware durch den ersten Unternehmer in der Leistungskette durchgeführt oder beauftragt wird.
Transportverantwortung ist entscheidend
Die Zuordnung der Beförderungs- oder Versendungslieferung zu einem der Rechtsgeschäfte (Lieferungen) hängt beim Reihengeschäft im Wesentlichen davon ab, wer von den Beteiligten die Transportverantwortung trägt. Beim Dropshipping wäre es ungewöhnlich, wenn die Transportverantwortung bei dem Online-Händler oder dem (End)Kunden liegen würde.
2.1 Nationale Geschäfte
Befindet sich der Gegenstand der Lieferung sowohl am Beginn der Warenbewegung (beim Großhändler) als auch am Ende der Warenbewegung (beim Kunden) im Inland, sind alle Lieferungen in der Leistungskette im Inland steuerbar und – da regelmäßig keine Steuerbefreiung einschlägig sein wird – steuerpflichtig. Abhängig von der Art der Ware kommt es zu einer Umsatzsteuer von 19 % oder 7 %, die regelmäßig der jeweils liefernde Unternehmer schuldet.
Nationalität ist ohne Bedeutung
Die Nationalität der beteiligten Personen ist in diesem Fall unerheblich. Entscheidend ist nur, ob Start und Ziel der Warenbewegung im Inland liegen.
Lieferung aus inländischem Lager
Kunde K aus Köln bestellt über den Online-Shop des Online-Händlers H aus Hannover ein Handy für 595 EUR. H leitet die Bestellung an den französischen Großhändler G für 357 EUR weiter. G versendet das Handy durch einen vom ihm beauftragten Paketdienst aus einem von ihm in Stuttgart unterhaltenem Auslieferungslager direkt zu dem Kunden nach Köln.
Es liegt ein Reihengeschäft nach § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG vor, da G dem H und H dem K Verfügungsmacht über das Handy verschafft. G führt eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung aus, aus den erhaltenen 357 EUR schuldet G...