Es handelt sich um eine Beförderung, wenn der Unternehmer selbst einen Gegenstand zu seinem Abnehmer transportiert. Beauftragt der Unternehmer einen unabhängigen Dritten (z. B. eine Spedition, die Post oder einen anderen Zustelldienst), den Gegenstand zum Kunden zu bringen, handelt es sich um eine Versendung. Die Lieferung wird dann mit der Übergabe an den Beauftragten ausgeführt.
Die Warenbewegung ist immer aus der Sicht des Lieferanten zu sehen. Das heißt, die Beförderungs- oder Versendungslieferung ist immer die Lieferung, die mit der Warenbewegung verbunden ist. Der Ort der Lieferung befindet sich dann immer da, wo die Beförderung oder Versendung beginnt (§ 3 Abs. 6 UStG). Die ruhende Lieferung ist immer die Lieferung, bei der keine Warenbewegung stattfindet. Der Ort der Lieferung befindet sich bei der ruhenden Lieferung immer da, wo die Beförderung oder Versendung endet (§ 3 Abs. 7 UStG).
Diese Beurteilung ist bei einem Reihengeschäft immer dann wichtig, wenn Unternehmer im Ausland (EU oder Drittland) beteiligt sind. Es muss eine exakte Zuordnung in der Lieferkette vorgenommen werden, um zu klären, ob
- eine steuerpflichtige Lieferung im Inland,
- eine steuerfreie Ausfuhrlieferung,
- eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung oder
- ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegt.
Fallvarianten, mit denen die Probleme bei Reihengeschäften gelöst werden können
Bei einem Reihengeschäft finden gleichzeitig mindestens 2 Lieferungen statt. Nur eine Lieferung ist als Beförderungs- oder Versendungslieferung (= bewegte Lieferung) einzustufen. Die zweite Lieferung (und ggf. jede weitere Lieferung) in einem Reihengeschäft ist dann die ruhende Lieferung. Es ist wie folgt vorzugehen:
- Zuerst ist die bewegte Warenlieferung zuzuordnen.
- Die Einstufung der ruhenden Lieferung ergibt sich dann automatisch.
Es ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen abhängig davon, an welcher Stelle in der Lieferkette sich der oder die ausländischen Unternehmer befinden. Danach richtet sich auch die Beurteilung, ob eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung oder ein innergemeinschaftlicher Erwerb stattfindet.
Nachfolgend sind die möglichen Fallgestaltungen anhand von Beispielen dargestellt, weil dies die einfachste Möglichkeit ist, die eigene Situation nachzuvollziehen.
Praxis-Beispiele
In den folgenden Beispielen werden zur besseren Verständlichkeit die beteiligten Unternehmer entsprechend der Länderzugehörigkeit wie folgt abgekürzt:
- Unternehmer in Deutschland mit D bzw. D1 und D2
- Unternehmer in Österreich mit Ö bzw. Ö1 und Ö2
- Unternehmer in Belgien mit B
1. Variante (D1 bestellt bei Ö, Ö bestellt bei D2, D2 liefert an D1)
Ein Unternehmer (D1) aus Bonn bestellt bei einem österreichischen Unternehmer (Ö) eine Maschine für 8.000 EUR. Der österreichische Unternehmer kauft diese Maschine für 7.000 EUR beim Hersteller (D2) in Dortmund ein. D2 liefert die Maschine unmittelbar an D1 in Bonn. Unternehmer D2 stellt seine Lieferung dem Ö in Rechnung und Ö rechnet seinerseits mit D1 ab.
Rechnungsweg: Hersteller (D2) in Dortmund --> österreichischer Unternehmer (Ö) --> Unternehmer aus Bonn (D1)
Warenbewegung: Hersteller (D2) --> Unternehmer aus Bonn (D1)
Es werden nacheinander zwei Lieferungen ausgeführt: bewegte Lieferung
D2 an Ö und ruhende Lieferung: Ö an D1.
Erste Lieferung: D2 befördert als Erster in der Reihe die Maschine. Diese bewegte Lieferung ist daher der Lieferung von D2 an Ö zuzurechnen. Der Ort der Lieferung befindet sich in Dortmund (Deutschland), weil der Beginn der Beförderung in Dortmund liegt.
Die zweite Lieferung durch Ö an D1 ist die nachfolgende (ruhende) Lieferung. Für diese Lieferung liegt der Lieferort gemäß § 3 Abs. 7 Nr. 2 UStG bei D1 in Bonn, weil dort die Versendung endet.
Der österreichische Unternehmer (Ö) muss in seiner Rechnung die deutsche Umsatzsteuer ausweisen, sich beim Finanzamt in Deutschland registrieren lassen und Umsatzsteuer aus dieser Lieferung gegenüber dem deutschen Finanzamt erklären.
SKR 03/SKR 04 (Buchung bei D1)
0210/ 0440 | Maschinen | 8.000 EUR | ||||
1576/ 1406 | Abziehbare Vorsteuer 19 % | 1.520 EUR | an | 1200/ 1800 | Bank | 9.520 EUR |
SKR 03/SKR 04 (Buchung bei D2)
1200/ 1800 | Bank | 7.000 EUR | an | 8125/ 4125 | steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen § 4 Nr. 1 b UStG | 7.000 EUR |
2. Variante: Ö bestellt bei D1, D1 bestellt bei D2, D2 liefert an Ö
Der österreichische Unternehmer (Ö) bestellt bei einem Unternehmer in Bonn (D1) eine Maschine für 4.000 EUR netto. Unternehmer D1 bestellt diese Maschine beim Hersteller in Dresden (D2) für 3.000 EUR. D2 liefert die Maschine unmittelbar an Ö nach Österreich.
D2 führt die bewegte Lieferung an Ö aus. Er ist der Unternehmer, der als Erster in der Reihe die Maschine befördert. Er befördert auch die Maschine in ein anderes EU-Land, sodass es sich bei seiner Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt.
Die Lieferung von D1 an Ö ist damit die ruhende Lieferung. Ort der ruhenden Lieferung befindet sich in Österreich, wo die Beförderung endet (§ 3 Abs. 7 Nr. 2 UStG). Das bedeutet Folgendes:
- D2 führt an D1 eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus.
- Bei D1 findet gleichzeitig ein innergemeinschaftlicher Erwerb in Österreich statt.
- D1 führt eine Lieferung an Ö in Österreich aus, die dort mit 20 % der Umsatzsteuer unterliegt.
D1 führt seine Lieferung in Österreich aus und muss daher in seiner Rechnung an Ö die österreichische Umsatzsteuer ausweisen. D1 muss sich beim zuständigen Finanzamt in Österreich registrieren lassen und den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Umsatzsteuer aus dieser Lieferung gegenüber dem österreichischen Finanzamt erklären.
SKR 03/SKR 04 (Unternehmer D1)
1200/ 1800 | Bank | 4.800 EUR | an | 8320/ 4320 | Erlöse aus im anderen EG-Land steuerpflichtigen Lieferungen | 4.000 EUR |
1767/ 3817 | Umsatzsteuer aus im anderen EG-Land steuerpflichtigen Lieferungen | 800 EUR |
SKR 03/SKR 04 (Unternehmer D2)
1200/ 1800 | Bank | 3.000 EUR | an | 8125/ 4125 | Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung § 4 Nr. 1 b UStG | 3.000 EUR |
3. Variante: Ö1 bestellt bei D, D bestellt bei Ö2, Ö2 liefert an Ö1
Unternehmer Ö1 aus Wien (Österreich) bestellt beim Unternehmer D in Bonn eine Maschine für netto 4.000 EUR. D bestellt seinerseits die Maschine beim Unternehmer Ö2 in Salzburg (Österreich) für 3.000 EUR. Ö2 aus Salzburg liefert die Maschine unmittelbar an Ö1 in Wien.
Ö2 aus Salzburg führt die bewegte Lieferung aus, weil er als Erster in der Reihe die Maschine befördert und zwar direkt nach Wien, sodass es sich um eine Lieferung handelt, die in Österreich ausgeführt wird. Die zweite Lieferung von D an Ö1 ist eine ruhende Lieferung. Für diese Lieferung liegt der Lieferort gemäß § 3 Abs. 7 Nr. 2 UStG am Ende der Beförderung, also in Wien (Österreich).
Es handelt sich nicht um eine innergemeinschaftliche Lieferung, sondern um eine Lieferung, die mit 20 % der österreichischen Umsatzsteuer unterliegt. Es ist daher erforderlich, dass D sich beim zuständigen Finanzamt in Österreich registrieren lässt und die Umsatzsteuer aus dieser Lieferung gegenüber dem österreichischen Finanzamt erklärt. Auf der anderen Seite kann D dann die österreichische Umsatzsteuer, die ihm D2 berechnet hat, als Vorsteuer in Österreich geltend machen. Er bucht wie folgt:
SKR 03/SKR 04 (Unternehmer D)
3200/ 5200 | Wareneingang | 3.000 EUR | ||||
1754/ 3854 | Steuerzahlungen an andere Länder | 600 EUR | an | 1200/ 1800 | Bank | 3.600 EUR |
1200/ 1800 | Bank | 4.800 EUR | an | 8320/ 4320 | Erlöse aus im anderen EU-Land steuerpflichtigen Lieferungen | 4.000 EUR |
1767/ 3817 | Umsatzsteuer aus im anderen EG-Land steuerpflichtigen Lieferungen | 800 EUR |
Der Saldo, der sich auf dem Konto „Umsatzsteuer aus im anderen EG-Land steuerpflichtigen Lieferungen“ ergibt, ist der Betrag, den D in Österreich ans Finanzamt zahlen muss. Das sind (800 EUR - 200 EUR =) 200 EUR. Im Zeitpunkt der Zahlung bucht D wie folgt:
SKR 03/SKR 04
1767/ 3817 | Umsatzsteuer aus im anderen EG-Land steuerpflichtigen Lieferungen | 200 EUR | an | 1200/ 1800 | Bank | 200 EUR |
4. Variante: Ö bestellt bei D, D bestellt bei B, B liefert an Ö
Der Unternehmer Ö aus Österreich bestellt beim deutschen Unternehmer D eine Maschine für netto 4.000 EUR. D wiederum bestellt diese Maschine für 3.000 EUR beim Hersteller (Vorlieferanten) B aus Belgien. Der belgische Unternehmer B versendet die Maschine durch eine Spedition unmittelbar an den österreichischen Unternehmer Ö.
Unternehmer B aus Belgien ist der Unternehmer, der als Erster in der Reihe die Maschine versendet. Die bewegte Lieferung ist daher der Lieferung des Unternehmers B an D zuzurechnen. Ort der Lieferung ist in Belgien, weil die Versendung in Belgien beginnt. Unternehmer B in Belgien führt an D eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus.
Dem Unternehmer D ist nach den allgemeinen Regeln für Reihengeschäfte ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb in Österreich zuzurechnen, weil sich die Maschine hier am Ende der Beförderung befindet. Verwendet D bei der Abrechnung seine deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dann bewirkt er gemäß § 3 d Satz 2 UStG gleichzeitig auch einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland, den er erst rückgängig machen kann, wenn D nachweist, dass die Versteuerung in Österreich erfolgt ist. Problematisch ist der innergemeinschaftliche Erwerb in Deutschland für D jedoch nicht, weil er in Höhe der Erwerbsteuer gleichzeitig auch den Vorsteuerabzug geltend machen kann.
Die zweite Lieferung von D an den Unternehmer Ö in Österreich ist eine ruhende Lieferung. Für diese Lieferung liegt der Lieferort gemäß § 3 Abs. 7 Nr. 2 UStG in Österreich, weil dort die Versendung endet. D kann diese Erwerbssteuer in Österreich gleichzeitig wieder als Vorsteuer berücksichtigen.
SKR 03/SKR 04 (Buchung bei D)
1200/ 1800 | Bank | 4.800 EUR | an | 8320/ 4320 | Erlöse aus im anderen EG-Land steuerpflichtigen Lieferungen | 4.000 EUR | |
1767/ 3817 | Umsatzsteuer aus im anderen EG-Land steuerpflichtigen Lieferungen | 800 EUR |
Bei diesem Beispiel handelt es sich um ein Reihengeschäft, das wahlweise auch als innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft behandelt werden kann.
5. Variante: Ö bestellt bei D1, D1 bestellt bei D2, Ö holt bei D2 ab
Unternehmer Ö aus Österreich bestellt beim Unternehmer D1 in Bonn eine Maschine für 4.000 EUR netto. D1 bestellt seinerseits die Maschine bei dem Unternehmer D2 in Dresden für 3.000 €. Unternehmer Ö aus Österreich holt die Maschine beim Unternehmer D2 ab.
Die bewegte Lieferung ist der Lieferung zuzuordnen, die D1 an den Unternehmer Ö in Österreich ausführt, weil Ö als Abnehmer des D1 die Beförderung selbst durchgeführt hat. Der Ort der Lieferung ist Dresden, weil die Lieferung dort beginnt. Es handelt sich somit um eine steuerbare Lieferung, für die allerdings keine Umsatzsteuer anfällt, weil sie als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist.
Die Lieferung des Unternehmers D2 aus Dresden an D1 in Bonn ist die ruhende Lieferung. Für diese Lieferung liegt der Lieferort gemäß § 3 Abs. 7 Nr. 2 UStG in Bonn, weil dort der Lieferort für die ruhende Lieferung ist. Das bedeutet, dass es sich bei der Lieferung des Unternehmers D2 an D1 um eine normale inländische Lieferung handelt, die der deutschen Umsatzsteuer unterliegt.
SKR 03/SKR 04 (Buchung bei D1)
3400/ 5400 | Wareneingang 19 % Vorsteuer | 3.000 EUR | ||||
1576/ 1406 | abziehbare Vorsteuer 19 % | 570 EUR | an | 1200/ 1800 | Bank | 3.570 EUR |
1200/ 1800 | Bank | 4.000 EUR | an | 8125/ 4125 | Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung | 4.000 EUR |
SKR 03/ SKR 04 (Buchung bei D2)
1200/ 1800 | Bank | 3.570 EUR | an | 8400/ 4400 | Erlöse 19 % USt | 3.000 EUR | |
1776/ 3806 | Umsatzsteuer 19 % | 570 EUR |