Leitsatz
1. Eine Eigenheimzulage für die Anschaffung eines Einfamilienhauses kann nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil der Anspruchsberechtigte nicht durch Vorlage einer Baugenehmigung nachweisen kann, dass der Rechtsvorgänger das Gebäude in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Baurecht errichtet hat. Entscheidend ist, ob das Gebäude in seinem Bestand geschützt ist und vom Anspruchsberechtigten auf Dauer uneingeschränkt zum Wohnen genutzt werden darf (Abgrenzung zu dem BFH, Urteil vom 31.5.1995, X R 245/93, BStBl II 1995, 875).
2. Die Eigenheimzulage für die Anschaffung eines Einfamilienhauses ist zu gewähren, wenn der Rechtsvorgänger das Gebäude in Übereinstimmung mit dem formellen oder materiellen Baurecht errichtet und zum dauernden Wohnen genutzt hat oder wenn das Gebäude in dem Jahr, ab dem der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage begehrt und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (in der Regel das Jahr der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken), mit dem geltenden formellen oder materiellen Baurecht übereinstimmt.
3. Die Feststellungslast für diese Voraussetzungen trägt grundsätzlich der Anspruchsberechtigte. Ist das Einfamilienhaus vor Jahrzehnten errichtet worden und haben die Behörden das Gebäude und dessen Nutzung zum dauernden Wohnen offensichtlich nie beanstandet, ist jedoch widerlegbar zu vermuten, dass es seinerzeit in Übereinstimmung mit den damals geltenden Vorschriften errichtet und genutzt worden ist.
4. Wirtschaftliches Eigentum an einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden kann nicht nur durch Errichtung auf eigene Kosten und Gefahr, sondern auch durch schuldrechtliche Vereinbarung vom bisherigen wirtschaftlichen Eigentümer erworben werden, wenn der Erwerber das uneingeschränkte Nutzungsrecht an dem Gebäude erlangt, das Nutzungsrecht übertragen kann oder bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses einen Ersatzanspruch in Höhe des Verkehrswerts des Gebäudes gegen den Eigentümer des Grund und Bodens hat.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 EigZulG
Sachverhalt
Die Kläger sind Mitglieder eines eingetragenen Vereins, der seit 1925 Eigentümer eines ungeteilten Grundstücks ist. Der Verein stellt den Mitgliedern Parzellen dieses Grundstücks zur Nutzung zur Verfügung. Gebäude und bauliche Anlagen stehen laut Satzung im Eigentum der Mitglieder. Im Jahr 1997 erwarben die Kläger mit privatschriftlichem Vertrag von einem Mitglied des Vereins ein auf einer Parzelle von 268 qm im Jahr 1932 errichtetes Gebäude mit ca. 75 qm Wohnfläche zum Kaufpreis von 130.000 DM. Sie bewohnten das Haus seit 1.8.1997 als ihren alleinigen Wohnsitz.
Im Jahr 1998 beantragten die Kläger eine Eigenheimzulage für 1997 und machten bei der Einkommensteuerveranlagung für 1997 die Vorkostenpauschale nach § 10i Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend.
Das FA lehnte die beantragte Eigenheimzulage ab und berücksichtigte auch keine Vorkostenpauschale. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Revision führte zur Zurückverweisung.
Entscheidung
Zu Unrecht habe das FG die Eigenheimzulage allein deshalb versagt, weil die Kläger keine Baugenehmigung für die erworbene Wohnung hätten nachweisen können. Maßgeblich sei vielmehr, ob das Gebäude in seinem Bestand geschützt sei. Sei dies der Fall, könnten die Kläger Eigenheimzulage erlangen, wenn sie an dem Gebäude wirtschaftliches Eigentum begründet hätten.
Hinweis
Wie in der Besprechung des BFH, Urteil III R 39/02 (Seite 268 in diesem Heft) ausgeführt, ist eine Wohnung nach dem EigZulG nur gefördert, wenn sie tatsächlich und rechtlich auf Dauer zum Wohnen geeignet ist. Daran mangelt es, wenn die zuständige Baubehörde jederzeit die Beseitigung des Bauwerks wegen materieller Baurechtswidrigkeit verlangen könnte.
Auch für eine Wohnung, die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltendem Baurecht widerspricht, kann Eigenheimzulage verlangt werden, wenn sie vom Rechtsvorgänger in rechtmäßiger Ausübung seines Eigentumsrechts errichtet wurde und uneingeschränkt zu Wohnzwecken genutzt werden durfte (sog. passiver Bestandsschutz).
Der BFH gibt bei neu errichteten Bauwerken dem Anspruchsberechtigten auf, die Baurechtmäßigkeit nachzuweisen. Beim Erwerb gebrauchter Wohnungen ist dies regelmäßig nicht erforderlich und häufig vom Erwerber mit zumutbarem Aufwand auch gar nicht möglich. Anlass zur Prüfung besteht aber dann, wenn Zweifel an der Baurechtmäßigkeit bestehen, etwa weil das Gebäude in einem Sondernutzungsgebiet oder im Außenbereich liegt.
Der Anspruchsberechtigte trägt grundsätzlich die Feststellungslast für die Anspruchsvoraussetzungen. Bestehen Zweifel, hat er nachträglich eine Baugenehmigung zu beantragen oder die sonstigen von den jeweiligen LBO vorgesehenen Verfahren in Gang zu setzen. Lehnt dies die zuständige Behörde ab, haben FA und FG selbst zu prüfen, ob das Gebäude in seinem Bestand geschützt ist. Ist dies nicht aufklärbar, geht dies grundsätzlich zu Lasten des Anspruchsberechtigten. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Behörden über Jahrzehnte hinweg die dauerhafte Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken...