Nach IAS 32.16 und IAS 32.19 liegt Eigenkapital nur insoweit vor, als ein Unternehmen weder eine unbedingte noch eine bedingte Verpflichtung zur Lieferung von Geld oder anderen Vermögenswerten hat. In der Konkretisierung dieser Regelungen bestimmen IAS 32.18(b) und IFRIC 2:
Ein Recht der Anteilseigner von Personengesellschaften (partnerships), ihren Anteil gegen eine Abfindung zu kündigen bzw. zurückzugeben, ist bilanziell als Verbindlichkeit auszuweisen, auch wenn die Anteilseigner gesellschaftsrechtlich Eigenkapitalgeber sind. Da nach deutschem Gesellschaftsrecht das Kündigungsrecht bzw. der damit verbundene Abfindungsanspruch nicht abbedungen werden können, stünden die OHG und KG nach IFRS ohne Eigenkapital dar.
Die z. T. absurden Konsequenzen einer Umqualifizierung des Eigenkapitals – je besser sich die Gesellschaft entwickelt, desto schlechter muss sie sich in Bilanz und GuV darstellen – hat der IASB mit einiger Zeitverzögerung wahrgenommen und sie zum Anlass genommen, die Regeln in 2008 anzupassen.
Die seitdem geltende Fassung von IAS 32 geht das Problem der Eigenkapital- bzw. Fremdkapitaldefinition nicht prinzipienbasiert, sondern kasuistisch in Form von Ausnahmeregelungen an:
- Wenn kündbare Anteile (puttable shares) bestimmte in den eingefügten Buchstabenparagraphen IAS 32.16A bis IAS 32.16F genannte Bedingungen vollständig erfüllen,
- dann sind sie in Ausnahme von den allgemeinen Definitionsmerkmalen von Fremdkapital ("as an exception to the definition of a financial liability" – IAS 32.16A) als Eigenkapital zu qualifizieren.
Die Ausnahmeregelungen gelten nicht für den Ausweis von Minderheitenanteilen (nicht beherrschenden Anteilen) an Tochterpersonengesellschaften im Konzern. Hier führen Kündigungsmöglichkeiten und damit verbundene potenzielle Abfindungsansprüche zur Qualifizierung als Fremdkapital (IAS 32.AG29A und IAS 32.BC68).
Die kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für den Ausweis von kündbaren Anteilen (an Mutterunternehmen bzw. im Einzelabschluss) sind nachfolgend dargestellt:
a) Proportionale Beteiligung am Liquidationsergebnis
Alle Anteilseigner müssen entsprechend ihrem Anteil an der Gesellschaft am positiven Liquidationsergebnis beteiligt sein (IAS 32.16A(a)). Unschädlich ist im Fall der Kommanditgesellschaft, dass der Komplementär vorrangig den Fehlbetrag zu tragen hat (DRSC Interpretation 3.9).
b) Nachrang gegenüber allen anderen Finanzinstrumenten
Der kündbare Anteil muss in der (freiwilligen oder erzwungenen) Liquidation nachrangig gegenüber allen anderen Finanzinstrumenten sein (IAS 32.16A(b)). Dies bedeutet zunächst einen Nachrang gegenüber Gläubigern. Schädlich kann auch ein fehlender Gleichrang von Gesellschaftern untereinander sein.
Beispiel
Der Gesellschaftsvertrag der ABC OHG sieht Folgendes vor: Gesellschafter A erhält einen Vorabanteil am Liquidationsergebnis. Der Rest wird zwischen B und C nach Maßgabe ihrer Anteile verteilt.
Beurteilung
Der Anteil von A ist kein Eigenkapital. Er gehört nicht in die nachrangigste Klasse von Finanzinstrumenten. In ihr sind nur die Anteile von B und C zu erfassen. Sie stellen bilanziell Eigenkapital dar.
c) Identische Ausstattungsmerkmale
Alle Finanzinstrumente in der nachrangigsten Klasse müssen gleiche finanzielle Ausstattungsmerkmale haben (IAS 32.16A(c)).
Für die Gesellschafter können neben Festkapitalkonten, die die Anteilsverhältnisse der Gesellschafter untereinander wiedergeben, weitere Einlagen und Konten vereinbart und/oder geleistet worden sein. Gängig sind Privat- oder Darlehenskonten, auf denen u. a. entnahmefähige Gewinne verbucht werden.
Hier ist zu klären, ob die Privatkonten/Darlehenskonten Teil der als Eigenkapital qualifizierten kündbaren Instrumente oder separat zu betrachtende Finanzinstrumente sind. Eine separate Betrachtung ist geboten, wenn das Privatkonto/Darlehenskonto annähernd fremdübliche Bedingungen aufweist, etwa angemessen verzinst wird. Das Konto ist dann als separates Fremdkapitalinstrument zu qualifizieren, mit der Folge, dass es bei der Prüfung, ob alle kündbaren Anteile gleichartige Bedingungen erfüllen, nicht mehr berücksichtigt werden muss.
d) Keine weiteren Zahlungsverpflichtungen
Abgesehen von den aus einer Kündigung der Beteiligung/Rückgabe der Anteile resultierenden Zahlungsverpflichtungen darf die Personengesellschaft dem einzelnen Gesellschafter gegenüber keine weiteren Verpflichtungen zur Zahlung oder Hingabe anderer finanzieller Vermögenswerte haben (IAS 31.16A(d)).
Nicht schädlich sind die gesetzlichen Entnahme- und Verzinsungsrechte der Gesellschafter i. S. d. §§ 122 Abs. 1, 168 HGB sowie der Gewinnauszahlungsanspruch des Kommanditisten nach § 169 Abs. 1 HGB. Sie begründen auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag die Ausschüttung/Thesaurierung nicht an Gesellschafterbeschlüsse bindet, keinen individuellen Zahlungsanspruch des Gesellschafters. Dieser erfordert vielmehr den kollektiven Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses.
e) Substanzielle Beteiligung am buchmäßigen oder ökonomischen Unternehmense...