Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Aus einer objektiv negativen Gewinnprognose kann nur dann auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Bei anderen Tätigkeiten – hier bei der Tätigkeit als Steuerberater – müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 EStG , § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Ein ehemaliger Finanzbeamter hatte sich nach seiner Pensionierung als Steuerberater niedergelassen und außerdem eine Steuerberatungs-GmbH gegründet. Die meisten Mandate betreute er im Rahmen der GmbH als deren Geschäftsführer. Für die Einzelpraxis blieben nur 6-9 Mandate. Von Anfang an ergaben sich daraus nur Verluste, die das FA schließlich nicht mehr anerkannte.
Die Klage gegen die entsprechenden Änderungsbescheide hatte vor dem FG keinen Erfolg. In der mündlichen Verhandlung hatte der Kläger eingeräumt, dass er die Praxis in erster Linie deshalb fortgeführt habe, um seinem in der Steuerberaterausbildung befindlichen Sohn die Möglichkeit zur Praxisübernahme offen zu halten.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Eine einkommensteuerlich relevante Tätigkeit setze Gewinnerzielungsabsicht voraus. Bei einem Steuerberater könne aus einer objektiv negativen Gewinnprognose, wie sie das FG für die Einzelpraxis des Klägers revisionsrechtlich unangreifbar getroffen habe, zwar noch nicht auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden. Hier sei aber der Anscheinsbeweis für das Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht durch die Feststellung widerlegt, dass der Kläger die Praxis trotz der Verluste weiter betreiben wollte, um seinem Sohn die Praxisübernahme zu ermöglichen.
Hinweis
1. Die Rechtsprechung des BFH zur sog. Liebhaberei erscheint unübersichtlich. Sie ist aber in den letzten Jahren so strukturiert worden, dass für den Rechtsanwender in der Praxis handhabbare Grundsätze entstanden sind. Dabei spielen objektive und subjektive Kriterien eine Rolle. Entscheidend kommt es darauf an, ob eine Tätigkeit, die im Übrigen den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllt, vom Steuerpflichtigen mit der Absicht ausgeführt wird, Überschüsse zu erzielen. Diese Absicht kann in der Regel nicht direkt festgestellt werden. Deshalb muss einerseits auf Indizien zurückgegriffen werden; andererseits ist die Frage zu klären, wer den Nachteil aus der Nichterweislichkeit zu tragen hat.
In beiden Punkten hat der BFH Klarheit geschaffen und dies in dem Besprechungsurteil noch einmal zusammengefasst:
Bei Tätigkeiten, die normalerweise zur Überschusserzielung unternommen werden, gilt ein Anscheinsbeweis zugunsten des Steuerpflichtigen, dass er eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, selbst wenn die Tätigkeit in der von ihm geführten Weise objektiv zu keinem Überschuss führen kann. Diesen Beweis muss das FA erschüttern, indem es Tatsachen nachweist, die für eine persönliche Veranlassung sprechen.
Bei Tätigkeiten, die typischerweise dazu bestimmt und geeignet sind, der Befriedigung persönlicher Neigungen außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen, hängt die Beweislast von der Gewinnprognose ab. Kann objektiv nach der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit durch den Steuerpflichtigen kein Überschuss erzielt werden, trifft ihn die Beweislast, dass er gleichwohl eine Überschusserzielungsabsicht hatte. Der Beweis wird kaum zu führen sein. Im umgekehrten Fall liegt die Beweislast dafür, dass der Steuerpflichtige die gleichwohl angefallenen Verluste aus persönlichen Gründen in Kauf genommen hat, beim FA.
2. Für den steuerlichen Berater als Prozessvertreter ist der Hinweis des BFH in der hiesigen Entscheidung wichtig, dass alle Äußerungen in der mündlichen Verhandlung für die Entscheidung verwendet werden dürfen, auch wenn sich der Steuerpflichtige selbst damit schadet. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Gericht in unfairer Weise zu nachteiligen Äußerungen veranlasst hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.5.2001, IV R 81/99