Leitsatz
Zu sog. Schraubpfannen-Systemen, die als Hüftgelenkimplantate verwendet werden, gehörende Schraubpfanneneinsätze und Schraubpfannendeckel sind, wenn sie Gegenstand einer selbstständigen Leistung sind, dem Regelsteuersatz unterliegende Teile künstlicher Gelenke.
Normenkette
Unterpos. 9021 11 KN (2001), Unterpos. 9021 31 KN (2002), § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, Anlage zu § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 Nr. 52 Buchst. a UStG
Sachverhalt
Eine Firma importiert regelmäßig aus mehreren Teilen zusammengesetzte Hüftgelenkimplantate, aber auch zu diesen gehörende Einzelteile, nämlich u.a. sog. Schraubpfanneneinsätze und Schraubpfannendeckel. Das HZA verlangt für diese Einzelteile den Regelsteuersatz von 16 % USt.
Das FG gab der Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.2006, 11 K 87/02, Haufe-Index 1720977, EFG 2007, 1292)
Entscheidung
Das Schraubpfannensystem eines künstlichen Hüftgelenks besteht aus der Schraubpfanne, dem Schraubpfanneneinsatz und einem Schraubpfannendeckel. Es handelt sich um drei Bestandteile, die nur in dieser Zusammensetzung, jedoch nicht jeweils für sich genommen die natürliche Hüftgelenkpfanne ersetzen können und die keine Prothese oder ein künstliches Gelenk, sondern lediglich ein Teil hiervon sind. Die USt-Ermäßigung ist daher zu Recht versagt worden.
Hinweis
Für die Einfuhr künstlicher Gelenke beträgt die EUSt nur 7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, Nr. 52 Buchst. a der Anlage). Ausgenommen hiervon sind Teile und Zubehör aus Unterpos. 9021 11 KN.
Die Verweisung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf die KN wird zwar generell als eine sog. dynamische Verweisung anzusehen sein. Die im Streitjahr 2002 erfolgte Neufassung der KN, die jetzt künstliche Gelenke anders einordnet als bei der Bezugnahme im UStG vorausgesetzt, hat der BFH gleichwohl als ohne Bedeutung angesehen und das UStG insofern korrigierend ausgelegt.
Die hier strittigen Einzelteile gehören zolltariflich zu der Position der Gelenke; umsatzsteuerrechtlich ist gleichwohl zwischen "künstlichen Gelenken" einerseits und "Teilen und Zubehör" für dieselben zu unterscheiden! Die USt-Begünstigung wäre den Teilen deshalb allenfalls dann zu gewähren, wenn es sich um "Komponenten" künstlicher Gelenke handelte, wie dies der BFH im Urteil vom 14.01.1997, VII R 47/96 (Haufe-Index 66204) bei künstlichen Oberschenkelknochen und künstlichen Gelenkpfannen mit Rücksicht auf die frühere Fassung des Zolltarifs angenommen hatte, auf die bei der Anwendung des UStG weiterhin abgestellt werden solle; diese seien beide (vollständige) Prothesen, nicht bloße Teile einer Prothese. Ist es mit den hier strittigen Teilen genauso?
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 01.04.2008, VII R 8/07