Leitsatz
Verspricht eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Gewinntantieme, so muss ein bei ihr bestehender Verlustvortrag jedenfalls dann in die Bemessungsgrundlage der Tantieme einbezogen werden, wenn der tantiemeberechtigte Geschäftsführer für den Verlust verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich ist. Anderenfalls liegt in Höhe des Differenzbetrags zwischen der tatsächlich zu zahlenden Tantieme und derjenigen, die sich bei Berücksichtigung des Verlustvortrags ergeben hätte, eine vGA vor.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Eine GmbH versprach ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer als Vergütung ein Festgehalt sowie die Übernahme von Versicherungsbeiträgen und die Benutzung eines betrieblichen Fahrzeugs, später auch eine Gewinntantieme von "35 % des Jahresüberschusses vor Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschaft- und Gewerbesteuer, vor Sonderabschreibungen und ausgezahlte Investitionszuschüsse". Das FA war der Ansicht, dass der bei der GmbH aufgelaufene Verlustvortrag bei der Bemessung der Tantieme hätte berücksichtigt werden müssen. Es behandelte deshalb die Zuführung zu der Tantiemerückstellung als vGA. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2003, 565).
Entscheidung
Der BFH sah dies ebenso wie das FG: Der Verlustvortrag sei nicht tantiemepflichtig. Jedenfalls dann, wenn der betreffende Gesellschafter-Geschäftsführer deren Verursachung aufgrund seiner Funktion und Position mitzuverantworten habe, halte es einem Fremdvergleich nicht stand, wenn die ihm versprochene Tantieme nur auf die erwirtschafteten Gewinne, nicht aber auf die Verluste bezogen werde. In Höhe des betreffenden Betrags, in dem "zuviel" an Tantieme geleistet worden sei, liege eine vGA vor.
Hinweis
Seit geraumer Zeit bestand infolge diverser divergierender FG-Urteile beträchtliche Ungewissheit darüber, ob in das Gewinntantiemeversprechen, das eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer gibt, Verlustvorträge einzubeziehen sind (vgl. z.B. einerseits FG Köln, EFG 2001, 309; Hessisches FG, EFG 2000, 1147; FG des Saarlandes, GmbHR 1998, 792; und EFG 2003, 565; andererseits z.B. Niedersächsisches FG, EFG 2003, 120).
Nunmehr steht fest: Verlustvorträge sind grundsätzlich abzuziehen und damit nicht tantiemepflichtig. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter würde jedenfalls den auch für die Verlusterzielung (Mit-)Verantwortlichen im Regelfall nicht von der Verlustteilhabe freistellen, auch wenn die besondere Anreizwirkung einer Gewinntantieme natürlich leidet, wenn trotz erwirtschafteter Gewinne erst Verluste aus den Vorjahren "aufgebraucht" werden müssen.
Dass Verlustvorträge im Steuerrecht – abweichend vom Handelsrecht (vgl. § 266 III A. IV HGB) – nur in eingeschränkter Weise nach Maßgabe des § 10d Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 EStG vortragsfähig sind, hat seinen Grund in den Besonderheiten des Periodizitätsprinzips und wirkt sich auf das Verhalten des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters insoweit nicht aus.
Allenfalls bei einem neu eingestellten Geschäftsführer, dem die Verluste aus den Vorjahren nicht anzulasten sind, kann im Einzelfall abweichend verfahren werden. Auch dann muss allerdings Sorge getragen werden (z.B. durch die Höhe des Tantiemesatzes und/oder durch absolute betragliche Begrenzungen), dass es nicht zur unangemessenen Gewinnabsaugung kommt.
Ist der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer ein beherrschender, genügt es übrigens auch unter diesen Vorbehalten für die Nichteinbeziehung von Verlustvorträgen nicht, ein "vorläufiges Jahresergebnis" – als Vorstufe zum Jahresüberschuss (vgl. § 266 Abs. 3 A IV und V HGB) – zur Bemessungsgrundlage zu bestimmen; die gleichwohl geleistete Tantieme ist eine vGA dem Grund, nicht nur der Höhe nach (vgl. BFH, Urteil vom 1.4.2003, I R 78, 79/02, BFH/NV 2004, 86).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.12.2003, I R 22/03