In den Rdnr. 22.23 bis 22.27 UmwSt-Erlass werden verschiedene Beispielsfälle diskutiert, wonach bei einer Seitwärtsverschmelzung des Einbringenden oder der aufnehmenden Gesellschaft je nach Lage des Einzelfalls und bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen von der Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG abgesehen werden kann. Bei den nachfolgenden Beispielen wird zunächst die Lösung der Finanzverwaltung wiedergegeben.
4.3.1 Seitwärtsverschmelzung des Einbringenden oder der übernehmenden Gesellschaft
Ein Ersatztatbestand kann u. U. bei einer Seitwärtsverschmelzung des Einbringenden oder der übernehmenden Kapitalgesellschaft realisiert werden.
Beispiel 1:
Verschmelzung der einbringenden Gesellschaft
Die GmbH 1 bringt ihren Betrieb zu Buchwerten in die GmbH 2 ein. Innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist wird die GmbH 1 (Einbringender) auf die GmbH 3 verschmolzen (Beispiel 1 in Rdnr. 22.23 UmwSt-Erlass).
Lösung:
Erfolgt die Verschmelzung der GmbH 1 auf die GmbH 3 unter Gewährung von Gesellschaftsrechten seitens der GmbH 3 und werden bei der Verschmelzung nach § 11 Abs. 2 UmwStG die Buchwerte angesetzt, stellt die Seitwärtsverschmelzung auf die GmbH 3 zwar einen Veräußerungsvorgang nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG dar. Dieser ist aber im Rahmen der Billigkeitsregelung unschädlich, weil eine Weitereinbringung zu Buchwerten erfolgt.
Beispiel 2:
Verschmelzung der übernehmenden Gesellschaft
Die GmbH 1 bringt ihren Betrieb zu Buchwerten in die GmbH 2 ein. Innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist wird die GmbH 2 (übernehmende Gesellschaft) auf die GmbH 3 verschmolzen (Beispiel 2 in Rdnr. 22.23 UmwSt-Erlass).
Lösung:
Werden bei der Seitwärtsverschmelzung nach § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG die sperrfristbehafteten Anteile an der übernehmenden GmbH 3 mit dem Buchwert angesetzt, kann im Rahmen der Billigkeitsregelung je nach Lage des Einzelfalls und bei Vorliegen der oben skizzierten Voraussetzungen von einer schädlichen Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG bei der GmbH 1 abgesehen werden.
Beispiel 3:
Verschmelzung des Einbringenden auf eine Personengesellschaft
Die GmbH 1 bringt ihren Betrieb zu Buchwerten in die GmbH 2 ein. Innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist wird die GmbH 1 (Einbringender) auf eine Personengesellschaft verschmolzen (Alternative zu Beispiel 1 in Rdnr. 22.23 UmwSt-Erlass).
Lösung:
Nach Rdnr. 01.47 UmwSt-Erlass erfolgt die Verschmelzung zwar unter Anwendung des § 24 UmwStG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Da aber die Weitereinbringung der sperrfristbehafteten Anteile nach § 24 UmwStG nicht von den Ausnahmetatbeständen des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4 und 5 UmwStG erfasst wird, kann die Billigkeitsregelung nicht angewendet werden und es liegt ein schädlicher Veräußerungsvorgang nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG vor.
Beispiel 4:
Verschmelzung des Übernehmers auf eine Personengesellschaft
Die GmbH 1 bringt ihren Betrieb zu Buchwerten in die GmbH 2 ein. Innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist wird die GmbH 2 (übernehmende Gesellschaft) auf eine Personengesellschaft verschmolzen (Alternative zu Beispiel 2 in Rdnr. 22.23 UmwSt-Erlass).
Lösung:
Infolge des Untergangs der sperrfristbehafteten Anteile liegt insoweit bereits kein mit einer Weitereinbringung i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4 und 5 UmwStG vergleichbarer Vorgang vor. Daher kommt die Billigkeitsregelung nicht zur Anwendung.
4.3.2 Aufwärtsverschmelzung
Werden durch eine natürliche Person Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine weitere Kapitalgesellschaft unter dem gemeinen Wert eingebracht, entsteht innerhalb von sieben Jahren nach der Umwandlung ein Einbringungsgewinn II, wenn die aufnehmende Kapitalgesellschaft die eingebrachten Anteile veräußert. Nach dem BFH-Urteil vom 24.1.2018 stellt die Aufwärtsverschmelzung eine schädliche Veräußerung dar, da sich die Aufwärtsverschmelzung aus der Sicht der Muttergesellschaft als ein tauschähnlicher Vorgang darstellt, der einer Anteilsveräußerung gleichsteht. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass anlässlich der Aufwärtsverschmelzung keine neuen Anteile entstehen. Jedoch geht – so der BFH – einerseits das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers (Tochtergesellschaft) einschließlich der Verbindlichkeiten im Rahmen der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge auf die Muttergesellschaft über, während andererseits "im Gegenzug" die von ihr gehaltenen Anteile untergehen.
Im Urteilssachverhalt war der Kläger eine natürliche Person, der Anteile an der B-GmbH im Rahmen eines Anteilstauschs nach § 21 UmwStG zum Buchwert in die C-GmbH eingebracht hatte. Daraufhin war die C-GmbH alleinige Gesellschafterin der B-GmbH. Innerhalb der siebenjährigen Behaltensfrist des § 22 Abs. 2 UmwStG wurde die B-GmbH aufwärts auf die C-GmbH zum Buchwert verschmolzen. Die Finanzverwaltung qualifizierte die Aufwärtsverschmelzung als Verstoß gegen die Behaltensfrist und setzte rückwirkend einen Einbringungsgewinn II fest. Der BFH hat die Verwaltungsauffassung bestätigt.