Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, inwieweit bei Wohnwagenverkäufen der britische Nullsteuersatz angewendet werden kann. Die Klägerin verkaufte Wohnwagen, die eine sog. Standardausstattung besitzen (z.B. Badezimmer, Bodenbeläge, Vorhangschienen, Vorhänge, Geschirrschränke, Einbauküchen, Kochgeräte, Einbausitzgruppen, Esstische, Stühle, Couchtische usw.). Die Klägerin kaufte diese Wohnwagen von den Herstellern, die der Klägerin nur für die Wohnwagen, nicht aber für deren Ausstattung den Nullsatz in Rechnung stellen. Für die Ausstattung wurde der Klägerin der britische Normalsteuersatz in Rechnung gestellt. Die Klägerin war der Auffassung, der Verkauf eines Wohnwagens unterliege als einheitliche Lieferung insgesamt dem Nullsteuersatz.
Die beklagte Finanzbehörde führte an, nach britischem Recht sei der ausbaubare Hausrat von der Anwendung des Nullsteuersatzes ausdrücklich ausgenommen. Artikel 28 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie, auf den sich das Vereinigte Königreich bei der Anwendung des Nullsatzes bezieht, stelle eine Abweichung vom allgemeinen Grundsatz dar, wonach gewerbliche Umsätze regelmäßig dem Normalsteuersatz unterliegen. Von daher sei eine enge Auslegung im Sinne der von der Finanzbehörde vertretenen Auffassung geboten. Unter Anwendung von Artikel 28 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie unterliegen im Vereinigten Königreich Lieferungen von Wohnwagen, die die jeweils im Straßenverkehr zulässigen Abmessungen für Anhänger, die von einem Kraftfahrzeug mit einem Leergewicht von weniger als 2030 kg gezogen werden, überschreiten, dem Nullsteuersatz. Dies gilt nicht für ausbaubaren Hausrat, also insbesondere nicht für die vorerwähnten Einrichtungsgegenstände für einen Wohnwagen.
Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob für den Fall, dass der Wohnwagenverkauf eine einheitliche Lieferung eines Gegenstandes darstellt, gleichwohl eine Aufteilung der Lieferung in einen Nullsatz und den Normalsteuersatz möglich ist.
Entscheidung
Der EuGH hat mit Blick auf den Ausnahmecharakter von Artikel 28 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie die Aufteilbarkeit einer einheitlichen Lieferung nach Lieferelementen zum Nullsatz und solchen zum Normalsteuersatz bejaht. Die Richtlinienvorschrift ist eng auszulegen. Dem Nullsatz kann nur unterliegen, was am 1.1.1991 - EG-rechtlich zulässig - in den Anwendungsbereich des Nullsatzes fiel. Unstreitig fiel der Hausrat eines Wohnwagens im Vereinigten Königreich nicht darunter. Wegen des Ausnahmecharakters der Richtlinienbestimmung muss es dabei auch dann bleiben, wenn der Hausrat Teil einer einheitlichen Lieferung ist. Andernfalls - so der EuGH - würde der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung nachträglich - unzulässig - erweitert.
Hinweis
Das Urteil hat für das deutsche Umsatzsteuerrecht keine unmittelbare Bedeutung, weil Deutschland insoweit keinen Nullsatz anwendet. Das Urteil lehrt aber, dass allgemeine Grundsätze des Mehrwertsteuerrechts wie der zur Einheitlichkeit einer Leistung im Zusammenhang mit Ausnahmeregelungen wie in Artikel 28 der 6. EG-Richtlinie nicht uneingeschränkt gelten. Andererseits gilt für das nationale Recht, das bezüglich der Steuersätze von keinen der Übergangsregelungen nach Artikel 28 der 6. EG-Richtlinie Gebrauch macht, dass für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes eine Aufspaltung in einzelne Lieferungs- oder Leistungsbestandteile nach wie vor nicht zulässig ist. Eine einheitliche Lieferung ist immer auch einheitlich zu beurteilen und es ist nicht zu untersuchen, ob im Rahmen dieser Lieferung einzelne Gegenstände dem allgemeinen und andere Gegenstände dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Bei einer einheitlichen Lieferung ist der Gegenstand der Hauptleistung zu bestimmen und zu untersuchen, ob dieser ggf. unter die Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG fällt. Auf die Nebenleistungen (Nebenlieferungen) ist ebenfalls der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, wenn die Hauptleistung in der Lieferung eines begünstigten Gegenstandes besteht.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 06.07.2006, C-251/05