Leitsatz

1. Die Regelungen zur Einheitsbewertung von Grundstücken im Beitrittsgebiet sind für ihre restliche Laufzeit verfassungsrechtlich hinzunehmen.

2. Mit dieser Maßgabe stellen die gleichlautenden Ländererlasse betreffend die Bewertung von Grundstücken im Beitrittsgebiet zulässige, typisierte Schätzungen des gemeinen Werts dar.

3. Die Ertragsarmut eines Bewertungsobjekts kann nicht im Rahmen des Sachwertverfahrens zur Einheitswertermittlung berücksichtigt werden.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 2, § 129, § 266 BewG, § 162 AO, § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 52 Abs. 1 BewG DDR, § 3a, § 32, § 33 RBewDV, § 33 GrStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb im August 2011 eine Liegenschaft in Sachsen. Das Grundstück ist bebaut mit einer zweiteiligen Halle aus den Baujahren 1928 bis 1930, überdacht durch zwei freitragende Kuppeln. Hinzu treten Büroanbauten und Nebengebäude. Die Halle war als Großmarkt für Obst und Gemüse konzipiert und diente als solche bis zum 31.10.1995. Seit 2000 wurde eine Halle als Eissporthalle, die andere u.a. für Konzerte und Flohmärkte genutzt. Das Objekt steht unter Denkmalschutz.

Das FA stellte im Wege der Nachfeststellung auf den 1.1.2012 den Einheitswert für die aus der Gesamtliegenschaft neu entstandene wirtschaftliche Einheit (Geschäftsgrundstück) fest. Es bewertete die Hallen auf Grundlage der gleichlautenden Ländererlasse vom 25.6.1993 (BStBl I 1993, 528) als Großmarkthallen im Sachwertverfahren. Mit einem während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid erhöhte das FA den Abschlag wegen Denkmalschutz auf insgesamt 10 %.

Mit ihrer Klage rügte die Klägerin die Bewertung der Halle als Großmarkthalle sowie unzureichende Abschläge wegen Denkmalschutz, die nach ihrer Auffassung für den Bodenwert 10 %, für das Gebäude 50 % betragen müssten. Das FG wies die Klage ab (Sächsisches FG, Urteil vom 13.12.2017, 4 K 18/16, Haufe-Index 13123307, EFG 2019, 1072).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin unter Berücksichtigung der in den Praxis-Hinweisen genannten Grundsätze als unbegründet zurück. Die mangels Jahresrohmieten oder vergleichbarer Verkaufsfälle gebotene Schätzung mittels Anwendung der einschlägigen Erlasse durch das FA und das FG lasse jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit Fragen der Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet.

1. Nach § 129 Abs. 1 BewG gelten für die im Beitrittsgebiet liegenden wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke die festgestellten oder noch festzustellenden Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 1.1.1935 weiter. Nach § 129 Abs. 2 BewG werden – vorbehaltlich der §§ 129a bis 131 BewG – für die Ermittlung der Einheitswerte 1935 statt der §§ 27, 68 bis 94 BewG u.a. im Einzelnen genannte Bestimmungen des BewG DDR i.d.F. vom 18.9.1970 (GBl der DDR, Sonderdruck Nr. 674) und der RBewDV vom 2.2.1935 (RGBl I 1935, 81) mit späteren Änderungen weiter angewandt.

2.§ 129 BewG ist derzeit noch anwendbar. Das durch das GrStRefG vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) geänderte Bewertungsrecht, in dem u.a. §§ 129 bis 133 BewG weggefallen sind (vgl. Art. 2 Nr. 1 Buchst. v GrStRefG), findet nach dem neuen § 266 BewG erst vom Jahr 2022 (Hauptfeststellung) bzw. 2025 (Hauptveranlagung) an Anwendung. Bei § 129 BewG handelt es sich somit um auslaufendes Recht, das für seine restliche Geltungsdauer verfassungsrechtlich hinzunehmen ist.

3. Aus den in § 129 Abs. 2 BewG in Bezug genommenen Vorschriften ergibt sich u.a. Folgendes:

a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BewG DDR ist bei Bewertungen, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der Preis anzusetzen, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BewG DDR sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen.

b) § 52 Abs. 1 BewG DDR verweist für die Bewertung der bebauten und der im Bau befindlichen Grundstücke auf die durch den Minister der Finanzen zu erlassenden Rechtsvorschriften. Nach § 3a Abs. 1 RBewDV sind bei Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz der tatsächliche Zustand des Grundbesitzes vom Fortschreibungs‐/Nachfeststellungszeitpunkt und die Wertverhältnisse vom 1.1.1935 zugrunde zu legen. § 32 Abs. 1 RBewDV unterscheidet fünf verschiedene Grundstückshauptgruppen, zu denen nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 RBewDV die Geschäftsgrundstücke zählen. Das sind bebaute Grundstücke, die zu mehr als 80 % unmittelbar eigenen oder fremden gewerblichen oder öffentlichen Zwecken dienen.

c) § 33 Abs. 2 Satz 1 RBewDV schreibt vor, dass alle übrigen bebauten Grundstücke (§ 33 Abs. 1 RBewDV nennt Mietwohngrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke) mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind. Lässt sich die Jahresrohmiete i.d.R. unschwer ermitteln oder schätzen, ermöglicht § 33 Abs. 2 Satz 2 RBewDV die Bestimmung des Werts über ein durch die Oberfinanzpräsidenten bestimmtes Vielfaches der Jahresrohmiete. Lässt sic...

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