Leitsatz

1. Überlässt der Insolvenzverwalter gemäß § 170 Abs. 2 InsO dem absonderungsberechtigten Gläubiger die der Masse zugehörigen sicherungsübereigneten beweglichen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zur Verwertung und entsteht nachfolgend durch deren Verkauf – infolge Aufdeckung von stillen Reserven – ein einkommensteuerpflichtiger Gewinn, ist die darauf entfallende Einkommensteuer eine "in anderer Weise" durch die Verwertung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit.

2. Durch die Überlassung (nur) zur Verwertung erfolgt keine echte Freigabe und damit auch keine Entlassung des Gegenstandes aus dem Insolvenzbeschlag.

3. Zum Klageverfahren des Insolvenzverwalters wegen der Qualifizierung von Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit ist der Insolvenzschuldner nicht gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen.

 

Normenkette

§ 35 Abs. 1, § 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 166 Abs. 1, § 170 Abs. 2 InsO, § 60 Abs. 3 Satz 1, § 73 Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

Am 1.11.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners A, der als Einzelunternehmer tätig war, eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger überließ Ende November 2012 der Bank B die Verwertung der ihr sicherungsübereigneten beweglichen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens des A mit der Bitte, den Verwertungserlös ihm gegenüber abzurechnen und den USt-Anteil sowie den Feststellungskostenbeitrag auszukehren.

Das FA rechnete den aus der Verwertung im Jahr 2013 erzielten Gewinn der Masse zu und erließ einen Bescheid, mit dem es die (anteilige) ESt betreffend die Masse gegenüber dem Kläger festsetzte. Die (anteilige) ESt das insolvenzfreie Vermögen betreffend setzte das FA in einem weiteren Bescheid gegenüber A fest.

Die nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobenen Klagen des Klägers und des A wurden vom FG gemäß § 73 Abs. 2 FGO zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das FG wies die Klagen ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3.3.2020, 5 K 1193/17, Haufe-Index 13758001, EFG 2020, 679).

 

Entscheidung

Die Revision des Insolvenzverwalters war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen unbegründet.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil schließt an das Urteil des X. Senats vom 7.7.2020, X R 13/19 (BFH/NV 2021, 127, BStBl II 2021, 174; siehe dazu auch Förster, BFH/PR 2021, 91) an und führt die höchstrichterliche Rechtsprechung in diesem Bereich konsequent fort. Während in dem dortigen Rechtsstreit die Veräußerung eines mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks insolvenzrechtlich zu beurteilen war, wurden im Streitfall während des Insolvenzverfahrens vom Sicherungseigentümer bewegliche Wirtschaftsgüter des Insolvenzschuldners veräußert, die ihm sicherungsübereignet worden waren.

1. Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. In die Insolvenzmasse fallen auch Gegenstände, die der Schuldner einem Dritten zur Sicherheit übereignet hat, wenn sie sich – zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – noch im Besitz des Schuldners befinden.

Das Sicherungseigentum an beweglichen Sachen begründet im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht, durch das gemäß §§ 49 ff. InsO lediglich die vorrangige Befriedigung aus bestimmten Gegenständen, welche zur Haftungsmasse des Schuldners gehören, beansprucht werden kann.

2. Die auf den Gewinn aus der Veräußerung der sicherungsübereigneten und zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehörenden Wirtschaftsgüter entfallende ESt erfüllt – was die Zuordnung zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien betrifft – die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit, wenn der Besteuerungstatbestand nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden ist.

Sie ist dann gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO"in anderer Weise" durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden, da es ausreicht, wenn die Abgabenforderung durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder jedenfalls einen Bezug zur Masse aufweist.

3. Erklärt der Insolvenzverwalter nicht die Freigabe der sicherungsübereigneten Wirtschaftsgüter, muss er demzufolge die ESt, die aus deren weiterer Massezugehörigkeit erwächst, als Verbindlichkeit gegen die Masse gelten lassen und hinnehmen.

4. Allein in der Überlassung eines sicherungsübereigneten Wirtschaftsguts (nur) zur Verwertung liegt keine echte Freigabe, sodass damit auch keine Entlassung des Gegenstandes aus dem Insolvenzbeschlag erfolgt. Die Erklärung zur Verwertungsüberlassung kann nicht zugleich als Freigabeerklärung angesehen werden; hierzu bedarf es einer ausdrücklichen Willenserklärung des Insolvenzverwalters zur Freigabe gegenüber dem Insolvenzschuldner.

5. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung scheiden Masseverbindlichkeiten auch nicht deshalb aus, wenn außer dem Kostenbetrag i.S.d. § 170 Abs. 2 InsO der Erlös nicht in die Insolvenzmasse geflossen ist.

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