Leitsatz
1. Die vom Erblasser herrührenden Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren oder die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen noch begründet hat, sind Nachlassverbindlichkeiten.
2. Steuerschulden können nicht abgezogen werden, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung darstellen.
3. An der wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse nicht damit gerechnet werden kann, dass der Steuergläubiger seine Forderung geltend machen werde.
4. Ändern sich die Verhältnisse nachträglich in der Weise, dass entgegen der Erwartung zum Todeszeitpunkt mit einer Geltendmachung der Steuerforderung zu rechnen ist, ist dies ein Ereignis mit materiell-rechtlicher Rückwirkung, das die Änderung des Erbschaftsteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ermöglicht.
Normenkette
§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Sachverhalt
Die Klägerin und ihre beiden Brüder sind (zu jeweils 25 %) drei von fünf Miterben des im Jahr 2007 verstorbenen A. Der gegenüber der Klägerin im Jahr 2008 ergangene Erbschaftsteuerbescheid wurde bestandskräftig.
Mit Änderungsbescheid vom 16.7.2012 setzte das für die Einkommensteuer des A zuständige FA aufgrund der gesonderten Feststellung des Gewinnanteils des A aus seiner Beteiligung an einer KG gegenüber der Klägerin als Beteiligte der Erbengemeinschaft nach A (bestehend aus allen fünf Miterben) Einkommensteuer, Zinsen und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2007 fest. Es ergab sich ein erheblicher Nachzahlungsbetrag. Bei der Berechnung der Erbschaftsteuer war dieser Betrag nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen worden.
Im August 2012 beantragte die Klägerin, die mit Bescheid vom 16.7.2012 festgesetzte Einkommensteuer unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheids bei ihr zu 1/3 als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Sie und ihre beiden Brüder trügen die Schuld allein.
Das FA lehnte die Änderung ab, da mit Ablauf des Jahres 2011 Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Das FG gab der Klage statt. Die Einkommensteuerschuld 2007 gehöre zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Der Erbschaftsteuerbescheid könne nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG geändert werden. Die wirtschaftliche Belastung durch die Einkommensteuer sei eine gesetzliche Bedingung, die erst mit der Festsetzung der Einkommensteuer im Juli 2012 eingetreten sei (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 14.10.2016, 3 K 112/13, Haufe-Index 9884559, EFG 2016, 1965).
Entscheidung
Die Revision des FA führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Der BFH führte zur Begründung aus, er könne nicht abschließend beurteilen, ob die von A herrührende Einkommensteuerschuld des Todesjahres 2007, soweit sie durch Einkommensteuerbescheid vom 16.7.2012 heraufgesetzt wurde, grundsätzlich noch als Nachlassverbindlichkeit angesetzt werden könne und in welchem Umfang die Verbindlichkeit ggf. der Klägerin zuzurechnen sei. Es fehlten insbesondere Feststellungen zu der Frage, mit welcher Einkommensteuerfestsetzung zum Todeszeitpunkt zu rechnen gewesen sei und ob und ggf. wann sich insoweit später die Verhältnisse geändert haben könnten. Ferner seien keine Tatsachen festgestellt, die es rechtfertigen könnten, die Einkommensteuerverbindlichkeit bei der Klägerin entgegen der Erbquote zu einem Drittel anzusetzen.
Hinweis
Im Streitfall befasst sich der BFH mit den Voraussetzungen, unter denen ein bestandskräftiger, nicht für vorläufig erklärter Erbschaftsteuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen zu ändern ist, wenn nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuer ein Änderungsbescheid ergeht, durch den die Einkommensteuer für den Erblasser höher festgesetzt wird, als sie bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt worden war.
1. Der BFH bestätigt zunächst seine Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von persönlichen Steuerschulden des Erblassers als Nachlassverbindlichkeiten.
Dies gilt insbesondere für die Einkommensteuer. Grundsätzlich abziehbar sind dabei nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren. Vielmehr ist auch die mit Ablauf des Todesjahres entstehende Einkommensteuerschuld abziehbar, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von der Einkommensteuer unterliegenden Tatbeständen begründet hat.
2. Der BFH bekräftigt ferner seine Rechtsprechung, nach der Steuerschulden wie andere Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich nur dann abgezogen werden können, wenn sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben.
a) Daran fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse in diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet werden konnte, dass der Steuergläubiger seine Forderung geltend machen werde. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Finanzbehörden entstandene Steuern in der materiell-rechtlich zutreffenden H...