Leitsatz
Bei der sog. doppelten Treuhand kann (auch) nach Eintritt des Sicherungsfalles ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO vorliegen.
Normenkette
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 5 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KStG
Sachverhalt
Der Kläger, ein eingetragener Verein, hat gemäß § 2 Nr. 1 seiner Satzung den Zweck, "das ihm zu treuen Händen übertragene Treuhandvermögen der ... AG und deutscher ... Konzerngesellschaften ... zu halten und zu verwalten". Das Treuhandvermögen wird in der Satzung als der Teil des Vermögens der Unternehmen definiert, der jeweils zur Sicherung der Pensionsverpflichtungen der Unternehmen gegenüber ihren versorgungsberechtigten Personen, insbesondere Mitarbeitern und deren Hinterbliebenen aus Pensionszusagen, dient und dem Verein zu diesem Zweck übertragen wurde, sowie alle Surrogate dieses Vermögens. Der Kläger verfolgt gemäß § 2 Nr. 2 seiner Satzung keine Erwerbsinteressen. Er wird unentgeltlich tätig.
Im Treuhandvertrag vom ... 2006 haben die ... AG (AG) als Treugeberin und der Kläger als Treuhänder u.a. die nachfolgenden Vereinbarungen getroffen:
„§ 1 Vermögensübertragung, Zweckbindung
1. Die Treugeberin kann dem Treuhänder nach Wahl der Treugeberin und in von ihr bestimmtem Umfang Vermögensgegenstände übertragen zum Zwecke der Verwaltung und Anlage in eigenem Namen, aber treuhänderisch für die Treugeberin und nach deren Weisungen ... Das Treuhandvermögen dient ausschließlich dem Zweck der Erfüllung von Pensionsverpflichtungen der Treugeberin und ihrer in Anlage 1 aufgeführten Konzerngesellschaften ... und zum Zwecke der Sicherung der Pensionsansprüche der Versorgungsberechtigten. ...
§ 2 Verwaltungstreuhand
1. Neben den übertragenen Vermögensgegenständen gehören auch die durch Vermögensumschichtungen entstandenen Surrogate sowie die Erträge hieraus zum Treuhandvermögen. Das Treuhandvermögen ist vom Treuhänder nach Weisung der Treugeberin zu halten und zu verwalten. ...
4. Verfügungen über Vermögensgegenstände des Treuhandvermögens und Grundsatzentscheidungen, welche die Anlage des Treuhandvermögens betreffen, sind mit der Treugeberin abzustimmen ...
5. Der Treuhänder hat das Treuhandvermögen getrennt von seinem eigenen Vermögen ... zu halten und zu verwalten ...
§ 4 Aufwendungen des Treuhänders
Die Treugeberin ist verpflichtet, dem Treuhänder alle Aufwendungen und Kosten zu erstatten, welche ihm im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung entstehen.
§ 5 Zahlungen an Versorgungsberechtigte, echter Vertrag zugunsten Dritter, Sicherungstreuhand
1. Zahlungen an Versorgungsberechtigte leistet die Treugeberin grundsätzlich direkt. In diesem Fall kann die Treugeberin sofortige Erstattung der aufgewendeten Mittel vom Treuhänder verlangen...
2. Die Versorgungsberechtigten haben, vorbehaltlich S. 2, keine direkten Ansprüche auf Leistungen aus den Pensionszusagen gegenüber dem Treuhänder. Die jeweils betroffenen Versorgungsberechtigten erwerben hiermit unmittelbar das Recht, bei Eintritt eines Sicherungsfalls i.S.d. § 5 Abs. 3 vom Treuhänder Erfüllung der Pensionsverpflichtungen bis zur Höhe des rechnerisch verhältnismäßigen Anteils der Treugeberin bzw. Konzerngesellschaften an dem Treuhandvermögen im Rang ihrer Fälligkeit zu verlangen (echter Vertrag zugunsten Dritter i.S.v. § 328 Abs. 1 BGB). ...
Die durch diesen Abs. 2 begründete Sicherungstreuhand bleibt bestehen, auch wenn die Verwaltungstreuhand (§§ 1 und 2) entfällt. ...
3. Ein Sicherungsfall tritt ein, wenn ...
c. über das Vermögen der Treugeberin oder einer Konzerngesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird ("Sicherungsfall") ...
4. Die Treugeberin darf dem Treuhänder keine Weisungen erteilen, die dem Interesse der Versorgungsberechtigten an einer vollständigen Erfüllung der Pensionsverpflichtungen bei Fälligkeit zuwiderlaufen.
5. Treuhandvermögen kann auf Wunsch der Treugeberin auch an die Treugeberin zurückübertragen werden, soweit Pensionsansprüche erfüllt worden sind und der Marktwert des Treuhandvermögens die Gesamtsumme der Pensionsverpflichtungen übersteigt. ...
Sofern und soweit gegen den Treuhänder Ansprüche gemäß § 5 Abs. 2 bestehen, verzichtet die Treugeberin auf diese Rückübertragungsansprüche, soweit das Treuhandvermögen benötigt wird, um die Zahlungen gemäß § 5 Abs. 2 zu leisten.
6. Vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 5 Abs. 1 und 5, 7 Abs. 4 bleibt das Treuhandvermögen dem Zugriff des Treugebers entzogen. ...”
Über das Vermögen der AG wurde am ... 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nach Aufforderung durch das FA reichte der Kläger KSt-Erklärungen für die Jahre 2009 und 2010 (Streitjahre) ein. Er erklärte darin – entgegen seiner eigenen Rechtsauffassung – Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. ... EUR (2009) bzw. ... EUR (2010), wobei er eine Kürzung gemäß § 8b Abs. 1 KStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung vornahm sowie – wegen fehlender Betriebsausgaben – eine Hinzurechnung nach § 8b Abs. 5 ...