Nach dem für die Einnahmen-Überschussrechnung maßgebenden Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG, und wohl ausgehend von der Vorstellung, dass Einnahmen-Überschussrechner stets die Ist-Besteuerung beantragen, werden im Formular alle Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen erfasst, die im laufenden Wirtschaftsjahr zu- bzw. abgeflossen sind.
Entsprechend nimmt
Zeile 16 die vereinnahmte Umsatzsteuer aus Lieferungen und Leistungen laut Zeile 14 sowie die auf unentgeltliche Wertabgaben bzw. auf die Veräußerung oder Entnahme von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens der Zeilen 18 bis 20 entfallende Umsatzsteuer auf.
- Der entsprechende Umsatzsteuerbetrag kann nicht durch Anwendung des Regelsteuersatzes von 19 % auf die Beträge der genannten Zeilen ermittelt werden, da diese zum einen nicht zwischen dem Regelsteuersatz und dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegenden Betriebseinnahmen differenzieren, zum anderen auch nicht der Umsatzsteuer unterliegende Betriebseinnahmen, etwa den 20 %igen Anteil des Werts für die private Pkw-Nutzung oder nicht der Umsatzsteuer unterliegende Entnahmen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, enthalten. Zudem ist nicht auszuschließen, dass im VZ 2022 Einnahmen zugeflossen sind, die auf Rechnungen über Lieferungen oder Leistungen im zweiten Halbjahr 2020 beruhen, in denen die Umsatzsteuer in Höhe von 5 % bzw. 16 % ausgewiesen wurde.
- Zeile 17 die im Kalenderjahr vom Finanzamt erstattete bzw. verrechnete Umsatzsteuer auf. Hierunter fallen auch Umsatzsteuer-Erstattungen für Vorjahre, die im Kalenderjahr zufließen bzw. verrechnet werden, etwa infolge der Berücksichtigung der Sondervorauszahlung nach § 47 UStDV im Dezember des Vorjahrs. Die Erläuterungen des BMF zu Zeile 17 des Vordrucks verweisen darauf, dass steuerliche Nebenleistungen nicht hier, sondern in Zeile 15 bzw. von Kleinunternehmern in den Zeilen 11 und 12 zu erfassen sind. Damit können nur vom Finanzamt erstattete Verspätungs- oder Säumniszuschläge etc. gemeint sein, da gezahlte Nebenleistungen in Zeile 66 eingehen.
Zeile 63 die abziehbaren Vorsteuerbeträge als Betriebsausgaben auf. Hier ist allerdings zu beachten, dass die zugehörige Erläuterung des BMF – in Rechnung gestellte Vorsteuerbeträge gehörten im Zeitpunkt ihrer Bezahlung zu den Betriebsausgaben – missverständlich ist. Denn auch bei der Ist-Besteuerung kommt es umsatzsteuerlich nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung der Rechnung an. Es genügt für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt wurde und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.
- Insoweit kann daher der Ansatz der Vorsteuerbeträge in der Umsatzsteuererklärung und als Betriebsausgabe in der Anlage EÜR auseinanderfallen. Werden z. B. Waren im Dezember beschafft und liegt eine ordnungsgemäße Rechnung vor, die erst im Januar bezahlt wird, ist die Vorsteuer laut Umsatzsteuererklärung um diesen Betrag höher als die in Zeile 63.
- Zeile 64 die im Kalenderjahr an das Finanzamt gezahlte und ggf. verrechnete Umsatzsteuer auf. Darunter fallen die Zahllasten nach den Umsatzsteuer-Voranmeldungen, soweit sie im Kalenderjahr abgeflossen bzw. verrechnet worden sind, sowie Umsatzsteuer-Nachzahlungen für Vorjahre.
Keine Saldierungen
Die Umsatzsteuer sollte unbedingt in der von der Finanzverwaltung geforderten Form in den vorstehend genannten Zeilen getrennt ausgewiesen und so weit wie möglich mit der Umsatzsteuererklärung abgestimmt werden. Saldierungen und Verrechnungen in der Anlage EÜR können Rückfragen des Finanzamts auslösen.
Beim Ansatz der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen und -Erstattungen ist die Rechtsprechung des BFH zu berücksichtigen, der diese Zahlungen als wiederkehrend i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 EStG eingestuft hat. Das bedeutet, dass Vorauszahlungen und Erstattungen aufgrund von Voranmeldungen noch im Wirtschaftsjahr 2022 zu erfassen sind, wenn sie bis zum 10.1.2023 ab- bzw. zugeflossen sind. Gleiches gilt, wenn die Vorauszahlung am 10.1. fällig war, das Finanzamt den Lastschrifteinzug jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen und das Konto des Steuerpflichtigen im Fälligkeitszeitpunkt ein ausreichendes Guthaben aufgewiesen hat. Wird der Ansatz solcher Vorauszahlungen fälschlicherweise im Folgejahr vorgenommen, versagt das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug; eine Änderung nach § 174 AO scheidet in einem solchen Fall aus.
Ist die Umsatzsteuerzahlung für Dezember 2022 aufgrund einer Dauerfristverlängerung erst am 10.2.2023 fällig, wurde aber innerhalb des Zehntageszeitraums des § 11 EStG freiwillig geleistet, darf sie dennoch in der EÜR 2022 nicht als Betriebsausgabe erfasst werden. Laut BFH ist in diesem Fall das zusätzliche Kriterium des Fälligkeit nicht erfüllt. Gleiches gilt für die Zahlung seit Monaten bereits fälliger Umsatzsteuer bis zum 10.1.2023; diese wirkt sich erst im Wirtschaftsjahr 2024 als Betriebsausgabe aus.