Leitsatz

Verstirbt der im Beweistermin unentschuldigt nicht erschienene Zeuge, bevor über seine Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln abschließend entschieden ist, so ist die angefochtene Festsetzung gegenstandlos und das Ordnungsmittelverfahren durch Beschluss einzustellen.

 

Normenkette

§ 380 Abs. 1 Satz 2, § 380 Abs. 3, § 381 Abs. 1 ZPO, § 82, § 143 Abs. 1 FGO, § 206a Abs. 1, § 467 Abs. 1, § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG

 

Sachverhalt

Das FG lud die Beschwerdeführerin als Zeugin zur Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 21.3.2006. Einige Tage vor diesem Termin bat die Zeugin das FG schriftlich darum, wegen ihres Gesundheitszustands auf ihr Erscheinen vor Gericht zu verzichten. Obwohl seitens des FG eine "Abladung" nicht erfolgt war, erschien die Zeugin nicht zur mündlichen Verhandlung. Das FG setzte deshalb gegen sie ein Ordnungsgeld i.H.v. 100 Euro fest.

Hiergegen hat die Zeugin fristgemäß Beschwerde eingelegt. Im Lauf des Beschwerdeverfahrens ist die Zeugin verstorben.

 

Entscheidung

Der BFH stellte das Beschwerdeverfahren ein. Er wies darauf hin, dass der vor dem rechtskräftigen Verfahrensabschluss eingetretene Tod der Zeugin ein Verfahrenshindernis darstelle, das der Verhängung von Ordnungsmitteln i.S.v. § 82 FGO i.V.m. § 380 Abs. 1 Satz 2 und § 381 Abs. 1 ZPO entgegenstehe. Die dort vorgesehenen Sanktionen wiesen sowohl präventive als auch repressive Züge auf. Im Hinblick auf den letztgenannten vorbeugenden Charakter des Ordnungsgelds gegen den Zeugen sei nach dessen Tod für eine Fortführung des Beschwerdeverfahrens und eine Aufrechterhaltung des festgesetzten Ordnungsgelds kein Raum mehr.

 

Hinweis

Nach § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen bei Nichterscheinen zwingend ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Die Festsetzung des Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Zeuge sein Ausbleiben genügend entschuldigt. Die Vorschrift des § 380 ZPO, die über § 82 FGO auch im FG-Prozess Anwendung findet, dient dem Zweck der Achtung und Durchsetzbarkeit der den Zeugen treffenden staatsbürgerlichen Pflichten, damit Recht entsprechend der Rechtslage gesprochen werden kann.

Für die reinen Zwangsmittel und Beugemaßnahmen (vgl. z.B. § 328 AO) stellt der Tod des Pflichtigen anerkanntermaßen einen Umstand dar, welcher nicht nur dem Vollzug, sondern – über den Wortlaut des § 335 AO hinaus – schon der Festsetzung von Zwangsmitteln entgegensteht (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 11.9.1996, VII B 176/94, BFH/NV 1997, 166, 167). Ferner gilt sowohl für die Verfolgung von Straftaten als auch für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, dass das Ziel des bereits eingeleiteten Straf- bzw. Bußgeldverfahrens mit dem Tod des Betroffenen nicht mehr erreicht werden kann und das betreffende Verfahren deswegen einzustellen ist (BGH, Beschlüsse vom 8.6.1999, 4 StR 595/97, NJW 1999, 3644, und vom 5.8.1999, 4 StR 640/98, wistra 1999, 426).

Der hier in Rede stehende prozessuale Ordnungsverstoß ist den Ordnungswidrigkeiten wesensverwandt (vgl. Häger in Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 38 Rz. 81). Es liegt deshalb nahe, die Grundsätze zum OWiG – wie es das Besprechungsurteil befürwortet – im hier einschlägigen Bereich gleichermaßen anzuwenden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 7.3.2007, X B 76/06

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