4.1 Vorbemerkungen

 

Rz. 22

Für steuerliche Zwecke muss ein Kaufmann keine (Steuer-)Bilanz aufstellen. Es genügt, wenn er bei dem Finanzamt lediglich eine unter Beachtung der steuerlichen Normen korrigierte Handelsbilanz einreicht.[1] Dennoch wird gemeinhin von der Steuerbilanz gesprochen.[2] Die Steuerbilanz und die Handelsbilanz weisen – bedingt durch die Maßgeblichkeit – eine enge Verzahnung auf. Dies führt in der Praxis dazu, dass Unternehmen häufig nur eine Bilanz, die sog. Einheitsbilanz, erstellen, die gleichzeitig den Erfordernissen beider Rechtsgebiete gerecht wird.[3] Ziel ist es dabei, den für die Erstellung notwendigen Aufwand zu reduzieren.[4]

[2] Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 4; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 8. Aufl. 2020, S. 15; Rose/Watrin, Ertragsteuern, 21. Aufl. 2017, S. 91; Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 27. Aufl. 2020, S. 648.
[3] Vgl. Schneeloch/Meyering/Patek, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre 2, 7. Aufl. 2017, S. 15; Wöhe/Döring/Brösel, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 27. Aufl. 2020, S. 666 f.
[4] Hennrichs, in Tipke/Lang, 24. Aufl. 2021, Rz. 9.110.

4.2 Das Wirtschaftsgut

 

Rz. 23

In der Handelsbilanz stehen sich als Bewertungsobjekte im Wesentlichen einzelne Vermögensgegenstände und einzelne Schulden gegenüber. Hingegen bezeichnet das Steuerrecht ein einzelnes Bewertungsobjekt als Wirtschaftsgut.[1] Der Begriff des Wirtschaftsguts – der gesetzlich nicht definiert ist – umfasst Sachen und Rechte, darüber hinaus aber auch "tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt".[2]

Die Wirtschaftsgüter können in positive (auch: aktive) Wirtschaftsgüter – als steuerliches Pendant zu den Vermögensgegenständen – und negative (auch: passive) Wirtschaftsgüter – als Pendant zu den Schulden – untergliedert werden.[3] Auf eine Diskussion der Unterschiede zwischen einem positiven Wirtschaftsgut und einem Vermögensgegenstand wird hier verzichtet. Ohnehin stimmen die Begriffe, bedingt durch die Maßgeblichkeit, weitestgehend überein.[4] Dies belegt auch, dass selbst der BFH die Begriffe synonym verwendet.[5]

[1] Vgl. BFH, Urteil v. 26.2.1975, I R 72/73; Hennrichs, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, § 9 Rz. 126; Gail, BB 1977, S. 135; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, S. 86; Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 8. Aufl. 2020, S. 36; Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 7. Aufl. 1992, S. 17.
[2] BFH, Urteil v. 29.4.1965, IV 403/62 U. Einen ähnlichen Wortlaut enthalten auch: BFH, Beschluss v. 13.5.1987, I B 179/86; BFH, Beschluss v. 3.2.1969, GrS 2/68. Vgl. BFH, Urteil v. 6.12.1990, IV R 3/89; BFH, Urteil v. 24.3.1976, I R 139/73; vgl. zum Begriff Wirtschaftsgut weiterführend BFH, Urteil v. 19.6.1997, IV R 16/95; Ley, Der Begriff "Wirtschaftsgut" und seine Bedeutung für die Aktivierung, 2. Aufl. 1987, S. 1 ff.; Kußmaul, Nutzungsrechte an Grundstücken in Handels- und Steuerbilanz, 1987, S. 44 ff. (Habil.).
[3] Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 85; Hennrichs, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 9.126; Drüen, in Brandis/Heuermann, EStG, KStG, GewStG, § 4 EStG Rz. 261, Stand: 2022; Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 7. Aufl. 1992, S. 18.
[4] Vgl. bspw. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 16. Aufl. 2021, S. 183; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2022, S. 85; Hennrichs, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 9.126; Kußmaul, Nutzungsrechte an Grundstücken in Handels- und Steuerbilanz, 1987, S. 52 (Habil.).

4.3 Das Betriebsvermögen

 

Rz. 24

Zivilrechtlich gibt es keinen Unterschied zwischen Privat- und Betriebsvermögen.[1] Anders verhält es sich im Steuerrecht. Die steuerliche Gewinnermittlung erfolgt durch den Vergleich des betrieblichen Vermögens zu Beginn und am Ende eines Wirtschaftsjahres. Dieses betriebliche Vermögen wird steuerlich als Betriebsvermögen bezeichnet. Konkret definiert wird der Gewinn für steuerliche Zwecke in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG.

 

Rz. 25

Dem Begriff des Betriebsvermögens kommt somit eine zentrale Bedeutung bei der Gewinnermittlung zu.[2] Dennoch ist er nicht im Einkommensteuergesetz definiert.[3] Zwar befassen sich die §§ 95109 BewG mit dem Betriebsvermögen, helfen hinsichtlich einer Definition allerdings auch nicht weiter. In § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG wird lediglich definiert, dass das Betriebsvermögen all die Teile umfasst, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören.[4] Eine Definition des Begriffs Betriebsvermögen ist vorliegend aber, insbesondere aufgrund der Spezifika der R...

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