Zusammenfassung
Elektronische Dienstleistungen haben heute Einzug in das ganz normale Absatzkonzept der Unternehmen gefunden. Hochspezialisierte Online-Anbieter sind eher die Ausnahme. Elektronische Dienstleistungen, die an unternehmerisch tätige Leistungsempfänger erbracht werden, sind seit 2010 generell im Ansässigkeitsstaat des steuerpflichtigen Kunden steuerbar (reverse charge). Derartige Umsätze an Nichtsteuerpflichtige unterliegen seit 2015 ebenfalls in deren Sitzstaat der Besteuerung, wobei die steuerlichen Pflichten des Anbieters im EU-Ausland in einem vereinfachten Besteuerungsverfahren erfüllt werden können. Dies gilt auch für Anbieter aus Drittstaaten, die derartige Leistungen an Nichtsteuerpflichtige in der EU ausführen.
Die wichtigsten Rechtsquellen sind die §§ 3 a, 18 Abs. 4c, 4d, 4e, 18h, 18i und 18j UStG, die Verwaltungsauffassung ist in Abschn. 3a.9a – 3a.12 und Abschn. 18i – 18j UStAE nachzulesen.
1 Was sind elektronische Dienstleistungen?
1.1 Allgemeines
Im Unterschied zu den auf herkömmlichem Weg erbrachten Lieferungen und Dienstleistungen hat sich für den Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs ein an das technische Medium gebundenes besonderes Segment von Umsätzen herausgebildet. Den elektronischen Dienstleistungen ist eigen, dass das gesamte Rechtsgeschäft, insbesondere der umsatzsteuerlich relevante Leistungsaustausch über das Internet oder andere elektronische Netze abgewickelt werden. Digitale oder virtuelle Güter können elektronisch versandt werden, sie besitzen zwar keine physische Beschaffenheit mehr, können in ihrer Verwendungsfunktion körperlichen Gegenständen aber gleichwertig sein. Unter diesem Aspekt ist der entgeltliche Download mehrerer Musikdateien durchaus dem Kauf einer herkömmlichen Musik-CD vergleichbar. Eine körperliche Kontrolle zum Zweck der ordnungsgemäßen Besteuerung kann aber nur bei der CD-Lieferung gewährleistet werden. Es ist daher verständlich, wenn ausschließlich zur besseren steuerlichen Durchdringung neuer technischer Entwicklungen – Abgrenzungen vorgenommen werden müssen. Hierzu gehört auch die Abgrenzung zwischen Telekommunikationsdienstleistungen als technischem Träger und ihren Inhalten, den sog. Telediensten.
1.2 Telekommunikationsdienstleistungen
Als sonstige Leistung auf dem Gebiet der Telekommunikation wird die Übertragung, die Ausstrahlung oder der Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder die Nutzung von Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien bezeichnet. Auch die Abtretung und die Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, zur Ausstrahlung oder zum Empfang gehören zu dieser Leistungskategorie. Seit dem 1.1.2010 werden diese Dienstleistungen gem. § 3 a Abs. 2 UStG an dem Ort besteuert, wo der unternehmerische Leistungsempfänger ansässig ist. Die Leistungsortverlagerung gilt seit dem 1.1.2015 auch für die Ausführung derartiger Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige. Werden diese Leistungen von im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmern an im Inland ansässige Nichtunternehmer erbracht, hat sich der leistende Unternehmer in einem EU-Land seiner Wahl steuerlich registrieren zu lassen, mit deutscher Umsatzsteuer abzurechnen und diese an die dort zuständige Finanzbehörde abzuführen. Diese Besteuerungsprinzipien gelten seit 1.1.2015 auch für in der EU ansässige Anbieter, wobei eine Registrierung im Land des Kunden dadurch vermieden werden kann, dass die Deklaration der Umsätze mit ausländischer Umsatzsteuer und deren Abführung beim zuständigen Finanzamt des leistenden Unternehmers ermöglicht wird (MOSS-Verfahren bis 30.6.2021, One-Stop-Shop ab 1.7.2021).
1.3 Auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen
Elektronisch erbrachte Dienstleistungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie über das Internet oder ein anderes elektronisches Netz im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht werden. Voraussetzung ist, dass ihre Erbringung ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre. Der Inhalt elektronischer Dienstleistungen, der mittels Telekommunikationsleistungen zugänglich gemacht wird, ist – gestützt auf Art. 7 MwStSystRL-DVO – wie folgt beispielhaft zu fassen:
- die Bereitstellung von Websites und das Webhosting;
- die Online-Fernwartung von Programmen, die Fernverwaltung von Systemen, das Online-Data-Warehousing (Datenspeicherung und Abruf auf elektronischem Weg), die Online-Bereitstellung von Speicherplatz;
- die Gewährung des Zugangs zu und das Herunterladen von digitalen Produkten wie z. B. Software, deren Änderungen oder Updates, von Filmen (Videodateien) und Musik (Audiodateien), von Desktop-Gestaltungen, Fotos, Bildern und Bildschirmschonern;
- die Bereitstellung von Texten oder Informationen in Form von E-Books, elektronischen Publikationen (Online-Zeitungen und -Zeitschriften, Online-Verkehrsinformationen, Wetterberichte u. Ä. sowie spezifische vom Leistungsempfänger beeinflussbare On...