Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Die Zinsen, die ein Steuerpflichtiger zum Erwerb einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG aufwendet, können regelmäßig bis zur Veräußerung der Beteiligung oder bis zum Eintritt der Vermögenslosigkeit bzw. bis zur Löschung der Kapitalgesellschaft im Handelsregister als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Weder die Einstellung der werbenden Tätigkeit der Kapitalgesellschaft noch ihre Überschuldung beenden für sich gesehen diese Möglichkeit.
2. Zu den Folgen eines im falschen Veranlagungszeitraum berücksichtigten (Auflösungs-) Verlusts für den Verlustabzug nach § 10d EStG.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG , § 10d EStG , § 17 Abs. 2 und 4 EStG , § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war als Gesellschafter wesentlich an einer GmbH beteiligt. Den Kaufpreis für die Beteiligung hatte er in voller Höhe fremdfinanziert und sich in unbeschränkter Höhe für die Gesellschaftsschulden verbürgt. Die GmbH war bereits 1992 überschuldet und permanent in Zahlungsschwierigkeiten, 1993 stellte sie ihre Tätigkeit ein, 1995 wurde sie im Handelsregister gelöscht.
Der Kläger machte die für die Beteiligung aufgewendeten Schuldzinsen in den Streitjahren 1992 bis 1994 als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. 1993 wurde er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Die hieraus geleisteten Zahlungen erkannte das FA als Liquidationsverluste i.S.v. § 17 Abs. 4 EStG des Jahrs 1993 an, lehnte es aber ab, die Schuldzinsen als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Die Revision hatte teilweise Erfolg. Schuldzinsen seien im Rahmen des § 17 EStG stets als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar, bis entweder die Beteiligung veräußert oder die Kapitalgesellschaft voll beendet sei. Eine GmbH sei regelmäßig erst mit ihrer Löschung im Handelsregister voll beendet, nicht schon mit der Einstellung ihres Gewerbebetriebs oder ihrer Überschuldung. Die Vollbeendigung der Kapitalgesellschaft bestimme regelmäßig auch das Ende der Möglichkeit zum Werbungskostenabzug.
Die Entscheidung befasst sich darüber hinaus mit den Folgen eines im falschen Veranlagungszeitraum berücksichtigten Liquidationsverlusts für den Verlustabzug nach § 10d in früheren Jahren.
Hinweis
Die Bedeutung des Falls liegt – außer in den beachtenswerten Ausführungen zum Verlustabzug nach § 10d EStG, auf die ich hier nicht weiter eingehe – darin, dass sich der BFH sowohl mit dem Zeitpunkt der Entstehung eines Liquidationsverlusts nach § 17 EStG als auch mit dem Zeitpunkt zu befassen hatte, bis zu dem ein Abzug als Werbungskosten bei den Beteiligungseinkünften nach § 20 EStG noch möglich ist. Anlass für diese parallele Behandlung der Aufwendungen auf eine Beteiligung war die Finanzierung der Beteiligung über Schuldzinsen und die Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Der BFH stellt mit seiner Entscheidung klar, dass der Zeitpunkt der steuerrechtlichen Berücksichtigung dieser Aufwendungen in beiden Fällen regelmäßig übereinstimmt.
Der für die Verlustentstehung maßgebliche Zeitpunkt ist nach dem vorliegenden Urteil nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Lassen sich solche Kriterien (z.B. der Abschluss der Liquidation, die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse, die eindeutige Vermögenslosigkeit im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses, die Vorlage von Konkurseröffnungs- oder Zwischenbilanzen des Konkursverwalters) nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ist stets auf den Zeitpunkt der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister abzustellen, es sei denn, dass der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass auch in diesem Fall noch auskehrbares Vermögen vorhanden ist (vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 12.10.1999, VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561, 563).
Dass die objektive Vermögenslosigkeit nach § 17 EStG schon vor der Löschung und der handelsrechtlichen Vollbeendigung der Gesellschaft eintreten kann, beruht darauf, dass Vermögenslosigkeit i.S. dieser Vorschrift bereits dann eintritt, wenn – außer den Gesellschaftsgläubigern – auch die Gesellschafter nicht mehr mit einer Auskehrung des Vermögens rechnen können; das hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 27.12.2001, VIII R 36/00 (BFH-PR 2002, 206) ausgeführt.
Ganz neu sind jedoch die Erkenntnisse des BFH zum letztmöglichen Zeitpunkt des Werbungskostenabzugs. Dieser Zeitpunkt scheint wegen der grundsätzlich erforderlichen Prüfung des Wegfalls der Einkünfteerzielungsabsicht des Gesellschafters an subjektiven Kriterien ausgerichtet zu sein. Das wird man aber nur dort sagen können, wo der von den Gesellschaftern gefasste Liquidationsbeschluss eindeutig auf das Ende der Gewinnerzielungsabsicht hinweist. In den übrigen Fällen ist davon auszugehen, dass die Absicht der Gesellschafter, über die Gesellschaft Einkünfte zu erzielen, fortbesteht. Da Aufwendungen auf wesentliche Beteiligungen über § 17 EStG stets steuerverstrickt sind – auch wenn sie als "laufende" Aufwendungen bei § 20...