Leitsatz
Wird ein Energieerzeugnis im Rahmen eines Herstellungsprozesses nicht nur als Heizstoff verwendet, sondern sind dessen Verbrennungsgase darüber hinaus zum Abschluss des Herstellungsprozesses erforderlich, liegt ein zweierlei Verwendungszweck i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG vor, ohne dass es auf eine Rangfolge der Verwendungszwecke oder ein (zusätzliches) Wesentlichkeitserfordernis ankommt (Modifizierung des Senatsurteils vom 28.10.2008, VII R 6/08, BFHE 223, 280, ZfZ 2009, 77 unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 2.10.2014, C 426/12, ZfZ 2014, 308).
Normenkette
§ 2 Abs. 6, § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG, Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 2. Anstrich EnergieStRL
Sachverhalt
Die Klägerin stellt Phosphate her. Dabei wird eine Phosphatlösung mithilfe eines Erdgasbrenners erhitzt, wodurch die Phosphatlösung in die gewünschten Produkte (verschiedene Phosphattypen) umgewandelt wird. Die restliche Natronlauge wird mithilfe des in den Verbrennungsgasen enthaltenen Kohlendioxids aus dem Produkt entfernt.
Ihren Antrag auf Entlastung von der Energiesteuer nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG lehnte das HZA mit der Begründung ab, es sei kein weiterer Verwendungszweck des Erdgases als sein Verheizen erkennbar. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.9.2012, 6 K 2297/09 Z, Haufe-Index 3340284, ZfZ 2013, Beilage Nr. 1, 12).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision des HZA zurückgewiesen.
Hinweis
1.§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG gewährt eine Steuerentlastung für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse, die von einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes "gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als Heiz- oder Kraftstoff" verwendet worden sind. Man spricht insoweit von "zweierlei Verwendungszweck" (oder "neudeutsch" von "dual use"). Die Vorschrift gründet auf Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL), demzufolge die Richtlinie (u.a.) für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck nicht gilt. Der nationale Gesetzgeber unterliegt also bei Energieerzeugnissen mit zweierlei Verwendungszweck nicht der sich aus Art. 1 EnergieStRL folgenden Verpflichtung, eine Steuer zu erheben.
2.§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG hat bereits in der Vergangenheit Auslegungs- und Anwendungsprobleme bereitet, und auch der Streitfall gab erneut Anlass zu Zweifeln an der Vorschrift, ihrer richtlinienkonformen Auslegung sowie an der bisherigen Rechtsprechung des Senats. So stellte sich im Streitfall zum einen die Frage, ob von zweierlei Verwendungszweck gesprochen werden kann, wenn das Energieerzeugnis vollständig verheizt und allein das dabei entstehende Verbrennungsprodukt (Kohlendioxid) zu anderen Zwecken im Produktionsprozess weiter genutzt wird, und zum anderen, ob – wie es in früherer Rechtsprechung formuliert war – die Erzeugung thermischer Energie in den Hintergrund treten und das Energieerzeugnis im Rahmen eines industriellen Prozesses zugleich als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff eingesetzt werden muss.
3. Wegen eines Vorabentscheidungsersuchens eines niederländischen Gerichts in einem ähnlich gelagerten Fall hatte der BFH das Verfahren im Streitfall ausgesetzt, um die Entscheidung des EuGH abzuwarten (EuGH, Urteil vom 2.10.2014, C-426/12, Haufe-Index 7282000).
Der EuGH hat keine Bedenken, zweierlei Verwendungszweck i.S.d. EnergieStRL anzunehmen, wenn das Energieerzeugnis vollständig verheizt und lediglich das dabei entstehende Verbrennungsprodukt Kohlendioxid zu einem anderen Zweck verwendet wird, sofern der Produktionsprozess, in dem das Energieerzeugnis verheizt wird, ohne den weiteren Einsatz des Kohlendioxids nicht zu Ende geführt werden kann, d.h. das Kohlendioxid nicht für ein anderes Verfahren weiterverwendet wird.
4. Der BFH hat sich dieser EuGH-Entscheidung angeschlossen mit der Folge einer Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung. Er betont nunmehr, dass die nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG vorausgesetzte "gleichzeitige" Verwendung zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken nicht i.S.v. "zeitgleich", sondern von "sowohl als auch" zu verstehen sei, und auch nicht erfordere, dass bei der gleichzeitigen Verwendung die Erzeugung thermischer Energie in den Hintergrund treten muss. Den Vorschriften lasse sich weder eine Rangfolge der Zwecke noch die zusätzliche Voraussetzung einer "wesentlichen" Verwendung des erzeugten Kohlendioxids entnehmen, zumal die frühere Vorschrift des § 17 Abs. 11 MinöStV, die eine überwiegende Verwendung zu anderen Zwecken als dem als Heiz- oder Kraftstoff gefordert hatte, nicht in das EnergieStG übernommen worden sei. Auch sei der Einsatz des Energieerzeugnisses als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff zur Bearbeitung oder Herstellung eines anderen Produkts kein entscheidungserhebliches Kriterium mehr.
Da der nationale Gesetzgeber keine gegenüber der EnergieStRL strengere Regelung habe schaffen, sondern sich an der EnergieStRL habe orientieren wollen, sei § 51 ...