Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
1.1 Kürzeste Straßenverbindung
Die Entfernungspauschale, die für Arbeitnehmer wie Selbstständige gleichermaßen gilt, gilt für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Für die Entfernungsbestimmung ist grundsätzlich die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte maßgebend. Dabei sind nur volle Kilometer der Entfernung anzusetzen, sodass ein angefangener Kilometer unberücksichtigt bleibt. Die Entfernungsbestimmung richtet sich stets nach der Straßenverbindung, und zwar unabhängig von dem Verkehrsmittel, das tatsächlich für den Weg zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte benutzt wird. Demzufolge ist auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf die Straßenverbindung und nicht etwa auf die Tarifentfernung bzw. die von einer S-Bahn gefahrene Umwegstrecke abzustellen. In diesem Zusammenhang dürfen auch zusätzliche Strecken, die notwendig sind, um die öffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen, nicht berücksichtigt werden.
Benutzungsverbote
Die kürzeste Straßenverbindung ist auch dann maßgeblich, wenn diese mit dem tatsächlich verwendeten Verkehrsmittel nicht benutzt werden darf.
Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und regelmäßig benutzt wird.
1.2 Wege von und zur Wohnung
1.2.1 Begriff Wohnung
Als Ausgangspunkt für die Fahrten kommt jede Wohnung des Steuerpflichtigen in Betracht, die er regelmäßig zur Übernachtung nutzt und von der aus er die Tätigkeitsstätte aufsucht. Es braucht keine voll eingerichtete Wohnung zu sein.
Möbliertes Zimmer gilt als Wohnung
Als Wohnung in diesem Sinne werden auch ein möbliertes Zimmer, eine Schiffskajüte, ein Schrebergartenhaus, ein abgestellter Wohnwagen oder ein Schlafplatz in einer Massenunterkunft (Kaserne) angesehen.
Nach der Rechtsprechung muss es sich um eine eigene – möglicherweise mit anderen Personen zusammen genutzte – Wohnung des Steuerpflichtigen handeln. Deshalb hat der BFH Unfallkosten, die auf einer Fahrt zwischen der Wohnung eines Freundes und der Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen entstanden waren, nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen. Eine fremde Wohnung dürfte der eigenen Wohnung jedoch gleichstehen, wenn sie die einzige Unterkunft des Steuerpflichtigen ist oder wenn sie ausschließlich zu dem Zweck aufgesucht wird, von dort aus zur Tätigkeitsstätte zu gelangen, z. B. Hotelzimmer. Wohnung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG kann auch ein Zimmer im Haus der Eltern sein.
1.2.2 Arbeitnehmer mit mehreren Wohnungen
Es steht dem Arbeitnehmer frei, wo er seine Wohnung nimmt. Die Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung werden aber nur berücksichtigt, wenn diese weiter entfernt liegende Wohnung den örtlichen Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.
Die Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie die Beweggründe für die Wohnsitznahme am entfernteren Ort spielen keine Rolle. Die entfernter liegende Wohnung darf allerdings nicht eine Zweitwohnung sein, die lediglich an Wochenenden und in den Ferien genutzt wird. Bei Letzteren wird die Entfernungspauschale nur für die Entfernung zwischen Erstwohnung und erster Tätigkeitsstätte berücksichtigt.
Mittelpunkt der Lebensinteressen bei Verheirateten
Wo ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, bestimmt sich durch die persönlichen Beziehungen zu diesem Ort sowie die Art und Weise, wie dieselben aufrechterhalten werden. Sie können ihren Ausdruck finden in Bindungen an Personen, z. B. Eltern, Verlobte, Freunde usw., aber auch in Aktivitäten, z. B. in Sport, Kirche, Politik. Bei verheirateten Steuerpflichtigen befindet sich der örtliche Mittelpunkt der Lebensinteressen i. d. R. am Aufenthalts- bzw. Wohnort der Familie. Auch bei Verheirateten setzt jedoch die Annahme des Mittelpunkts der Lebensinteressen voraus, dass die weiter entfernt liegende Wohnung vom Arbeitnehmer nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.
Die Rechtsprechung hat bereits bei nur 5 Heimfahrten eines türkischen Arbeitnehmers jährlich an den Familienwohnort in der Heimat ein nicht nur gelegentliches Aufsuchen der Wohnung bejaht. Je weiter der Familienwohnort vom Arbeitsort entfernt liegt, umso weniger Fahrten erscheinen ausreichend. Die Finanzverwaltung berücksichtigt die weiter entfernt liegende Wohnung ohne nähere Prüfung, wenn sie der Arbeitnehmer mindestens sechsmal im Kalenderjahr a...