Leitsatz
Der entgeltliche Verzicht auf das an einem Grundstück eingeräumte Ankaufsrecht ist nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei.
Normenkette
§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7, § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, Art. 5 Abs. 1, Art. 13 Teil B Buchst. g, Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-RL, § 74 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin ist Organträgerin der C-AG. Die C-AG hatte ein Ankaufsrecht an einem Grundstück. Sie konnte das Ankaufsrecht zum 31.12.2001 zu einem Kaufpreis von 9 500 000 DM und zum 31.12.2011 zu einem Kaufpreis von 5 750 000 DM ausüben.
Im Jahr 1999 wurde das Grundstück zu einem Preis von ca. 12 400 000 DM veräußert. In dem Vertrag verzichtete die C-AG gegen ein von der Käuferin des Grundstücks zu zahlendes Entgelt von ca. 4 200 000 DM auf ihr Ankaufsrecht.
Das FA behandelte den Verzicht auf das Ankaufsrecht als einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz.
Das FG wies die Klage ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.12.2006, 16 K 284/04, Haufe-Index 1768333, EFG 2007, 1297).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Der entgeltliche Verzicht auf ein Ankaufsrecht an einem Grundstück ist eine sonstige Leistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG.
Diese sonstige Leistung ist nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Danach sind steuerfrei "die Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen".
Welche Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG "unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen", richtet sich ausschließlich nach § 1 GrEStG. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 GrEStG unterliegt der GrESt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, und nach Nr. 7 der Vorschrift die Abtretung selbst, wenn kein solches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.
Durch den Verzicht auf ein Ankaufsrecht wird kein Recht auf Abtretung des Rechts aus einem Kaufangebot begründet. Vielmehr erlischt das Ankaufsrecht mit dem Verzicht des Ankaufsberechtigten. Der Erwerber des Grundstücks erhält die Verfügungsmacht von dem bisherigen Grundstückseigentümer und Veräußerer und nicht von dem Ankaufsberechtigten.
Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn – wie im Besprechungsfall – das Grundstück zu anderen Bedingungen als denen veräußert wird, die in dem Ankaufsrecht festgelegt sind.
Da der entgeltliche Verzicht auf ein Ankaufsrecht auch keinen anderen der in § 1 GrEStG aufgeführten Steuertatbestände erfüllt, ist er steuerpflichtig.
2. An der Steuerpflicht ändert nichts, dass gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG das Entgelt für den Verzicht auf das Ankaufsrecht als Teil der Gegenleistung für die Grundstücksübertragung gewertet und in die Bemessungsgrundlage für die GrESt wegen der Grundstücksveräußerung einbezogen wird. Denn § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG schließt eine Doppelbelastung mit USt und GrESt nicht generell aus (BFH, Urteil vom 27.10.1999, II R 17/99, BFH/NV 2000, 278).
3. Eine Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Zwar ist nach dem EuGH-Urteil vom 15.12.1993, Rs. C-63/92, "Lubbock Fine" (Haufe-Index 60577) die Abfindung, die ein Mieter für sein Einverständnis mit der vorzeitigen Auflösung seines Mietvertrags erhält, dann steuerfrei, wenn auch die in Erfüllung des Mietvertrags geleisteten Mietzinszahlungen befreit wären. Damit ist der Verzicht auf das Ankaufsrecht an einem Grundstück nicht vergleichbar. Denn er betrifft – im Gegensatz zu dem Verzicht eines Mieters auf seine Rechte aus dem Mietvertrag – keine laufend erbrachten steuerfreien Leistungen des Grundstückseigentümers.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 03.09.2008 – XI R 54/07