Leitsatz
1. Der Entlastungsanspruch nach § 154 Abs. 1 BranntwMonG setzt nicht voraus, dass die Erzeugnisse bereits in dem Zeitpunkt nachweislich versteuert sind, in dem sie in das Steuerlager aufgenommen werden.
2. Bei einem unversteuerten Bezug von Erzeugnissen entsteht der Entlastungsanspruch nach § 154 Abs. 1 BranntwMonG nicht bereits mit deren Aufnahme in das Steuerlager, sondern frühestens mit der Festsetzung der für das Erzeugnis entstandenen Branntweinsteuer.
Normenkette
§ 143, § 144, § 154 BranntwMonG, § 56 BrStV, § 47, § 155 Abs. 5, § 169, § 170 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt die Produktion und den Handel mit Alkohol und alkoholischen Produkten. Am 29.4.2015 erhielt sie eine Lieferung von Branntwein vermeintlich im Steueraussetzungsverfahren und nahm diesen am gleichen Tag in ihr Steuerlager auf.
Nachdem im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt worden war, dass die Lieferung ohne validiertes elektronisches Verwaltungsdokument (eVD) erfolgt war, meldete die Lieferantin den Vorgang im Dezember 2016 zur Versteuerung beim HZA an. Zugleich stellte sie der Klägerin die Branntweinsteuer i.H.v. 73.857,02 EUR netto in Rechnung.
Im Januar 2017 beantragte die Klägerin die Entlastung von der Branntweinsteuer nach § 154 BranntwMonG. Dies lehnte das HZA ab, da die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.2016 abgelaufen sei.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, das HZA habe den Entlastungsanspruch der Klägerin nach § 154 Abs. 1 BranntwMonG zu Recht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung verneint (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.8.2020, 6 K 1905/17 Z, Haufe-Index 14058395). Die Festsetzungsfrist für Vergütungsansprüche beginne mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Vergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden sei. Der Entlastungsanspruch sei bereits mit der Aufnahme in das Steuerlager (in 2015) entstanden, weil die Entstehung der Steuer und die Voraussetzungen der Entlastung zu diesem Zeitpunkt aus den Lagerbüchern der Lieferantin und der Klägerin als Empfängerin "verifizierbar" gewesen seien.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des FG-Urteils. Im zweiten Rechtsgang wird das FG noch aufzuklären haben, ob die Versteuerungsbestätigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gemäß § 56 Abs. 3 BrStV vorgelegt worden ist.
Hinweis
Verschiedene Verbrauchsteuergesetze machen den Anspruch auf eine Entlastung von der Steuer u.a. davon abhängig, dass die Ware "nachweislich versteuert" ist. Im Streitfall waren in diesem Zusammenhang zwei Fragen zu klären.
1. Erstmals beschäftigte sich der BFH mit der Frage, wann die nachweisliche Versteuerung gegeben sein muss, wenn eine Ware in ein Steuerlager aufgenommen wird. Hierzu hatte das HZA im Revisionsverfahren die Ansicht vertreten, dass die nachweisliche Versteuerung bereits zum Zeitpunkt der körperlichen Aufnahme der Ware in das Steuerlager gegeben sein müsse und auf den Wortlaut der Entlastungsnorm verwiesen. Folge wäre ein endgültiger Ausschluss des Entlastungsanspruchs, wenn die Beteiligten – wie im Streitfall – bei Aufnahme in das Steuerlager irrtümlich von einem Steueraussetzungsverfahren ausgegangen waren und deshalb keine Steueranmeldung abgegeben haben.
Gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG werden nachweislich versteuerte Erzeugnisse, die in ein Steuerlager aufgenommen worden sind, auf Antrag von der Steuer entlastet. Vergleichbare Regelungen finden sich in § 29 Abs. 1 Satz 1 AlkStG und in § 47 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG.
Der BFH hat § 154 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG anhand der einschlägigen Methoden ausgelegt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich aus der Norm keine zeitliche Reihenfolge der Tatbestandsmerkmale ergibt. Er betonte zudem, dass das Tatbestandsmerkmal der nachweislichen Versteuerung keinen Sanktionscharakter habe. Es soll also nicht durch einen endgültigen Ausschluss der Entlastung bestraft werden, wer die formellen Anforderungen an ein Steueraussetzungsverfahren (irrtümlich) nicht beachtet hat.
Diese Überlegungen dürften sich auf die gleichlautenden Entlastungsnormen in anderen Verbrauchsteuergesetzen übertragen lassen.
2. In einem zweiten Schwerpunkt der Entscheidung hatte sich der BFH mit der Frage der Festsetzungsverjährung des Entlastungsanspruchs zu befassen. Erstmals im Urteil vom 19.10.2021, VII R 26/20 (BFH/PR 2022, 163) hatte der BFH klargestellt, dass eine nachweisliche Versteuerung jedenfalls nicht vor der Festsetzung der Steuer gegeben sein kann.
Diese Grundsätze hat er auf den Entlastungsanspruch nach § 154 Abs. 1 BranntwMonG übertragen, weil auch in diesem Fall keine Entlastung für steuerfrei bezogene Erzeugnisse gewährt werden soll. Auf die Aufnahme in das Steuerlager im Jahr 2015 kam es also nicht an. Vielmehr wäre die Festsetzungsfrist aufgrund der am 28.12.2016 durch die Lieferantin eingereichten Steueranmeldung erst mit Ablauf des 31.12.2017 abgelaufen, mithin der Entlastungsantrag im Januar 2017 noch rechtzeitig eingereicht worden.
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