Leitsatz
Ermöglicht es der Inhaber eines Besitzunternehmens einem Angehörigen, im Rahmen einer Kapitalerhöhung zum Nennwert einen Teil des im Betriebsvermögen gehaltenen Anteils an der Betriebs-GmbH und der zugehörigen stillen Reserven ohne Zahlung eines Aufgelds in sein Privatvermögen zu übernehmen, so liegt hierin auch dann eine Entnahme in Höhe der Wertdifferenz zu der geleisteten Einlage, wenn durch die Erhöhung des im Privatvermögen gehaltenen Anteils eine wesentliche Beteiligung begründet wird.
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr Inhaber eines Einzelunternehmens. Mit notariellem Vertrag vom 10.02.1978 gründete der Kläger zusammen mit seinem Sohn die Firma "UC-GmbH" mit einem Stammkapital von 100.000 DM, an der der Kläger zu 80 % und sein Sohn zu 20 % beteiligt ist. In der Folgezeit verpachtete der Kläger der GmbH sämtliche Betriebsgrundstücke und das Anlagevermögen seines Einzelunternehmens und begründete damit eine Betriebsaufspaltung zwischen beiden Unternehmen. Die GmbH-Anteile erfasste der Kläger im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens, der Sohn hielt seine Beteiligung im Privatvermögen. Mit notariellem Vertrag vom 04.11.1994 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine Kapitalerhöhung von 100.000 DM. Die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister erfolgte am 09.12.1994. Die neuen Stammeinlagen wurden zum Nennwert ohne Zahlung eines Aufgeldes für stille Reserven vom Kläger in Höhe von 40.000 DM und vom Sohn in Höhe von 60.000 DM übernommen. Nach der Kapitalerhöhung waren der Klägers zu 60 % und sein Sohn zu 40 % an der GmbH beteiligt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Einzelunternehmens des Klägers vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass 20 % der stillen Reserven der GmbH-Anteile des Klägers im Zuge der Kapitalerhöhung unentgeltlich auf den Sohn übergegangen seien. Der Prüfer beurteilte diesen Vorgang als eine Privatentnahme beim Einzelunternehmen und ermittelte einen entsprechenden Entnahmegewinn. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Erfassung des Entnahmegewinns durch den Beklagten. Seiner Meinung nach seien die Voraussetzungen für eine Privatentnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 EStG nicht gegeben. Der Beklagte verkenne, dass nach der Rechtsprechung des BFH die Privatentnahme einen Realakt voraussetze, der nicht allein durch eine Kapitalerhöhung begründet werden könne. Auch stille Reserven als solche seien kein entnahmefähiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG.
Entscheidung
Der Beklagte hat zu Recht eine Privatentnahme beim Einzelunternehmen des Klägers erfasst. Ermöglicht es der Inhaber bzw. ein Gesellschafter des Besitzunternehmens einem Angehörigen, einen Teil des zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehörenden Anteils an der Betriebs-GmbH gegen Leistung einer Einlage zu übernehmen, die niedriger ist als der Wert des übernommenen Anteils, so liegt eine Entnahme in Höhe der Differenz zwischen dem Wert des übernommenen Anteils und der geleisteten Einlage vor. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Dadurch, dass der Kläger es seinem Sohn ermöglicht hat, im Zuge der Kapitalerhöhung Anteile an der GmbH zum Nennwert ohne die Zahlung eines Aufgeldes für stille Reserven in einem Umfang zu übernehmen, der dessen bisherige Beteiligungsquote an der GmbH überstieg, hat er seinem Einzelunternehmen Vermögenswerte für einen Angehörigen, mithin für betriebsfremde Zwecke, entnommen (§ 4 Abs. 1 S. 2 EStG). Diesem Ergebnis liegen folgende Erwägungen zu Grunde: Vor der Kapitalerhöhung war der Kläger mit 80 % am Stammkapital der GmbH sowie an deren stillen Reserven beteiligt. Eine solche Beteiligung beinhaltet nach herrschender gesellschaftsrechtlicher Auffassung - für den Fall einer Kapitalerhöhung - ein Bezugsrecht des Gesellschafters auf das erhöhte Stammkapital bzw. eine Anwartschaft auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung entsprechend seinem bisherigen Geschäftsanteil. Dieses Recht auf Teilhabe an der Kapitalerhöhung hat der Kläger nicht in Höhe seiner bisherigen Beteiligungsquote ausgeübt. Vielmehr hat er zu Gunsten seines Sohnes teilweise auf dieses Recht verzichtet, indem er von den neu ausgegebenen Stammanteilen nicht einen Anteil von 80.000 DM übernommen hat - was seiner bisherigen Beteiligungsquote entsprochen hätte -, sondern lediglich einen Anteil im Nennwert von 40.000 DM; seine Gesamtbeteiligung hat sich dadurch von 80 % auf 60 % reduziert. Da die neuen Anteile zum Nennwert ausgegeben wurden und damit zu einem niedrigeren Kurs, als es ihrem inneren Wert entsprach, verminderte sich der Substanzwert der alten Anteile des Klägers. Die in ihnen enthaltenen stillen Reserven sind teilweise den neuen Anteilen zugeflossen. Da darüber hinaus die neuen Anteile, soweit sie der Sohn des Klägers übernommen hat, kein Betriebsvermögen darstellten, ist es durch den teilweisen Verzicht des Klägers auf sein Bezugsrecht zu einer Entnahme dieses Rechts aus dem Betriebsvermögen gekommen.
Hinweis
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO