Leitsatz
1. Werden einem selbstständigen Kursmakler Anteile einer AG zur Erfüllung seiner Courtageforderung übertragen, gelangen die Anteile im Erwerbszeitpunkt in das Betriebsvermögen. Ihre spätere Entnahme ist dadurch nicht ausgeschlossen.
2. Die Entnahme erfordert eine unmissverständliche, von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung und darüber hinaus, dass der Steuerpflichtige die naheliegenden steuerlichen Folgerungen aus der Entnahme gezogen hat.
Normenkette
§ 4 Abs. 1, § 5, § 16 EStG, § 20 UmwStG 1995
Sachverhalt
Der Kläger erzielte als seit 1996 amtlich bestellter Kursmakler an einer Wertpapierbörse Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte.
Die Mitglieder der Kursmaklerkammer hatten 1990 beschlossen, im Rahmen einer Kapitalerhöhung 5 % der Aktien einer Börsen-AG zu zeichnen. Die Anschaffungskosten der Anteile wurden mit den Ansprüchen der Kursmakler gegenüber dem Courtagepool verrechnet.
Der Kläger beteiligte sich nach seiner Bestellung an dem von der Kursmaklerkammer gehaltenen Aktienanteil. Die anteiligen Anschaffungskosten in Höhe von 210.000 DM wurden in vier Raten im Juni, Juli, August und September 1996 mit seinen Courtageansprüchen verrechnet.
Im Oktober 1996 beschlossen die Kursmakler, die von der Kammer gehaltenen Aktien an die Mitglieder zu übertragen. Die Makler erhielten die Aktien im Februar 1997. Der Kläger buchte am 31.3.1997 "Entnahme" an "Erlöse aus Courtagepool" mit einem Betrag von 210.000 DM und erklärte die Dividendenerträge aus den Aktien in der Folgezeit im Rahmen seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Zum 31.12.2000 brachte der Kläger sein Einzelunternehmen ohne die nach seiner Auffassung im Privatvermögen gehaltenen Aktien in eine GmbH ein.
Das FA vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, dass die im Eigentum des Klägers stehenden Aktien notwendiges Betriebsvermögen seines Kursmaklergewerbes darstellten und mit den Anschaffungskosten zu aktivieren seien. Da der Kläger sein Einzelunternehmen zum 31.12.2000 in die GmbH eingebracht, aber die eine wesentliche Betriebsgrundlage bildenden Anteile zurückbehalten habe, sei § 20 UmwStG nicht anzuwenden. Daraus ergebe sich im Jahr 2000 ein Aufgabegewinn in Höhe von 2.780.128,71 EUR (Wert der Anteile abzüglich des Buchwerts).
Das FA erließ entsprechend geänderte Bescheide. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden für das Jahr 2000 in Höhe von 9.933.906 DM festgestellt; darin enthalten war ein Gewinn i.S.d. § 16 EStG in Höhe von 5.637.753 DM.
Das FG gab der Klage gegen die geänderten Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide statt (Hessisches FG, Urteil vom 29.7.2013, 11 K 696/08, Haufe-Index 5784968, EFG 2013, 1822).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies zurück. Im zweiten Rechtsgang ist zu klären, ob der Kläger die Aktien unmissverständlich und damit wirksam entnommen hat.
Hinweis
1. Zum Betriebsvermögen (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) gehören alle Wirtschaftsgüter, die aus betrieblicher Veranlassung angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden. Ist die Anschaffung als solche ein betrieblicher Vorgang, bedarf es keiner Widmung des angeschafften Wirtschaftsguts zu betrieblichen Zwecken. Daher war unstreitig, dass Aktien des Börsenbetreibers, die der klagende Kursmakler von der Kursmaklerkammer gegen Verrechnung mit seinen Courtageansprüchen erhalten hatte, in sein Betriebsvermögen gelangt waren.
2. Streitig war, ob die Aktien entnommen werden konnten. Die Entnahmefähigkeit von Wirtschaftsgütern und die Frage, wie sie in das Betriebsvermögen gelangen, werden häufig unter demselben Stichwort "notwendiges Betriebsvermögen" erörtert, obwohl es sich um unterschiedliche Vorgänge handelt, die nach unterschiedlichen Kriterien zu beurteilen sind.
Das Urteil führt dementsprechend aus, die Aktien seien infolge der betrieblich veranlassten Anschaffung notwendiges Betriebsvermögen geworden; es finden sich aber auch Entscheidungen, wonach Anteile im notwendigen Betriebsvermögen nicht entnommen werden können.
a) Der BFH billigte die Würdigung des FG, das die Entnahme der Aktien für möglich hielt. Dafür sprach, dass der Kläger mit 0,14 % nur geringfügig beteiligt war und einige andere Kursmakler keine Anteile an der AG hielten und gleichwohl denselben geschäftlichen Bedingungen unterworfen waren. Das Kriterium der Gleichbehandlung der Aktionäre und der Nichtaktionäre unter den Kursmaklern durch die AG und die Wertpapierbörse steht im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung (z.B. BFH, Urteil vom 4.2.1998, XI R 45/97, Haufe-Index 67100, BFHE 185, 384, BStBl II 1998, 301 zu freiwilligen Anteilen an einer Apothekergenossenschaft).
b) Der BFH billigte weiter die in dieselbe Richtung gehende Würdigung des FG, dass es an einer Förderung des Betriebes fehlte, weil die Aktionäre die Geschäftspolitik der Börse nicht beeinflussen konnten, da die Wertpapierbörse als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts öffentlich-rechtlich verfasst gewesen sei und durch eigene Organe gehandelt habe. Die Aktien vermit...