Leitsatz
Die Überführung eines Grundstücks in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen im Rahmen einer Betriebsaufgabe, die vor dem 1.1. 1999 erfolgte, stellt keine Anschaffung i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 dar.
Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG auch für Entnahmen von Grundstücken, die vor dem 1.1.1999 erfolgt sind, gilt mit der Folge, dass ab dem Entnahmezeitpunkt die - nunmehr zehnjährige - Veräußerungsfrist zu laufen beginnt.
Die Kläger unterhielten bis zum 30.6.1998 einen landwirtschaftlichen Betrieb. Die zum Betrieb gehörenden Grundstücke, die sich bereits seit Jahrzehnten in ihrem Eigentum befanden, überführten sie mit der Betriebsaufgabe in ihr Privatvermögen. Der Gewinn aus der Betriebsaufgabe wurde ordnungsgemäß versteuert.
In den Jahren 2001 und 2002 veräußerten sie die Grundstücke. Die jeweiligen Veräußerungsgewinne wurden im Rahmen der Einkommensteuererklärungen erklärt und veranlagt. Der Beklagte erließ die Steuerbescheide für die Streitjahre unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Am 12.11.2004 beantragten die Kläger, die Steuerbescheide für die Streitjahre dahingehend zu ändern, dass die Veräußerungsgewinne aus den Grundstücksverkäufen bei der Steuerfestsetzung außer Ansatz bleiben. Sie verwiesen hierzu auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 19.12.2001, (9 K 7766/00 E).
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.4.2005 ab, nachdem die Kläger mit Schreiben vom 25.4.2005 den Beklagten zum Erlass eines klagefähigen Bescheides bis zum 01.06.2005 aufgefordert hatten.
Über den am 3.5.2005 eingelegten Einspruch hatte der Beklagte nicht entschieden.
Entscheidung
Mit der am 11.11.2005 erhobenen Untätigkeitsklage hatten die Kläger Erfolg:
Die Klage war nach Auffassung des Gerichts zulässig, da die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO insoweit erfüllt waren, dass über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht in angemessener Frist entschieden worden ist.
Weiterhin war nach Auffassung des Gerichts das Verfahren nicht nach § 74 FGO auszusetzen, da die beim BVerfG anhängigen Verfahren ausschließlich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Veräußerungsfrist beträfen. Es sei nicht zu erwarten, dass die einfachgesetzliche Frage, ob auch vor 1999 eine Entnahme als Anschaffung gilt, durch das BVerfG beantwortet würde.
Nach Auffassung des Gerichts war die Klage auch begründet, weil die durch das StEntlG 1999/2000/2002 eingefügte Anschaffungsfiktion des § 23 Abs 1 Satz 2 EStG erst für Entnahmen gelte, die nach dem 31.12. 1998 getätigt wurden. Als Anwendungsvorschrift greife allein § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ein, da § 52 Abs. 39 EStG keine Regelung für die hier einschlägigen Fälle getroffen habe. Eine derartige Regelung wäre aber zu erwarten gewesen, weil § 52 Abs. 39 EStG im übrigen ausdifferenzierte Übergangsregelungen für die geänderten Regelungen beinhalte. Insbesondere könne die Anwendbarkeit von § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht aus § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG hergeleitet werden. Denn diese Regelung stelle allein auf das Tatbestandsmerkmal "Veräußerungsgeschäft" ab, die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG zur Entnahme beinhalte eine jedoch dazu unabhängige Regelung über das Tatbestandsmerkmal "Anschaffung". Im Übrigen sei nur diese Betrachtungsweise von Verfassungs wegen zu vertreten, da nach Auffassung des Gerichts die Anwendung der Regelung auf vor dem 1. Januar 1999 vorgenommene Entnahmen als allgemein unzulässige echte Rückwirkung anzusehen.
Hinweis
Das Finanzamt hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt (Az. beim BFH: IX R 27/06). Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten.
Die Rechtsfrage, ob die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG erst auf Entnahmen nach dem 31. Dezember 1998 oder auch für Entnahmen zu einem vorherigen Zeitpunkt anzuwenden ist, ist umstritten. Ein Teil der Literatur (Glenk in Blümich, EStG, § 23 EStG Rz. 111, Stephany, INF 2005 S. 143) sowie der Rechtsprechung (FG Düsseldorf, Urteil v. 19.12. 2001, 9 K 7766/00 E, EFG 2002 S. 464) teilt die Auffassung des hier entscheidenden Gerichts. Eine andere Auffassung vertreten insbesondere auf Grund der Tatsache, dass als steuerbegründendes Tatbestandsmerkmal allein die Veräußerung angesehen werde, die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 5.10.2000, BStBl 2000 I S. 1383, Rz. 1) sowie ihr nachfolgend Teile der Literatur (Risthaus, DB 1999 S. 1032, 1035; Paus, INF 1999 S. 513; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 25.Aufll., § 23 Rz. 33).
Interessant ist, dass sich der BFH auf Grund der eingelegten Revision gegen das Urteil des FG Düsseldorf bereits mit der Sache befasst und einen Gerichtsbescheid erlassen hatte. Diesbezüglich hatte das FA jedoch einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Daher gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen (§ 90a Abs. 2 Satz 1 AO). Anschließend hatte das Finanzamt dem Begehren des Klägers durch den Erlass eines Änd...