Leitsatz
Eine einmalige Entschädigung, die für das mit einer immerwährenden Dienstbarkeit gesicherte und zeitlich nicht begrenzte Recht auf Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlt wird, zählt nicht zu den nach dem EStG steuerbaren Einkünften.
Normenkette
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger stimmte der Überspannung seines Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung zu, bewilligte dem Betreiber eine entsprechende Dienstbarkeit und vereinnahmte eine Entschädigung, die nach dem Wertverlust berechnet wurde. Damit kam er zugleich seiner drohenden Teilenteignung zuvor. Das FA hielt die Entschädigung für steuerpflichtig. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BMF hat im Revisionsverfahren das FA unterstützt.
Entscheidung
Der BFH hat die Entscheidung des FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 20.9.2016, 10 K 2412/13 E, Haufe-Index 9907365, EFG 2016, 1877) aufgehoben und der Klage stattgegeben. Der Kläger sei für einen aus seiner Sicht endgültigen Rechtsverlust entschädigt worden und habe kein Entgelt für eine Nutzungsüberlassung erhalten. Die Entschädigung sei weder nach § 21 EStG noch nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft in erster Linie die Einkünfte aus VuV. Insofern war vom BFH zu klären, ob die Entschädigung wirtschaftlich für eine zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung oder für einen endgültigen Rechtsverlust gezahlt worden ist. Die Ausführungen zum Tatbestand der sonstigen Einkünfte gehen nicht über die bekannten Grundsätze hinaus.
1. Zum Tatbestand der Einkünfte aus VuV gehört, dass die Nutzungsüberlassung zeitlich begrenzt sein muss. Eine dauerhafte, zeitlich unbegrenzte Nutzungsüberlassung entwertet das Eigentumsrecht substanziell und gehört nicht mehr zur Fruchtziehung. Gibt der Eigentümer gegen Entgelt einen Teil seiner Herrschaftsgewalt zeitlich unbegrenzt, also aus seiner Sicht endgültig auf, verwirklicht er in wirtschaftlicher Hinsicht keine Nutzungsüberlassung, sondern einen veräußerungsähnlichen Vorgang. Dabei ist unerheblich, ob sich der Eigentümer freiwillig bindet; auch eine erzwungene Nutzungsüberlassung kann zu Einkünften aus VuV führen.
2. Wird das vereinbarte Nutzungsrecht durch eine Dienstbarkeit dinglich abgesichert, kommt es darauf an, ob (auch) die Belastung zeitlich begrenzt oder zumindest endlich ist, weil der Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen die Löschung verlangen kann.
3. Ob danach im Einzelfall ein Entgelt für Nutzungsüberlassung oder eine Entschädigung für einen endgültigen Rechtsverlust gezahlt worden ist, bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Vereinbarten. Das FG muss die Verträge auslegen und den Vorgang unter dem Gesichtspunkt der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise würdigen.
4. Im Streitfall hat der BFH die tatsächliche Würdigung des FG beanstandet. Die dem Betreiber der Leitung eingeräumten schuldrechtlichen wie dinglichen Rechte an dem Grundstück seien in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt gewesen. Der Kläger habe auch keinen vertraglichen Anspruch auf Rückgabe der dinglichen Belastung gehabt. Er habe mithin einer aus seiner Sicht endgültigen Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse zugestimmt. Aus dem Umstand, dass der Kläger für den Wertverlust seines Grundstücks entschädigt worden sei, lasse sich ebenfalls schließen, dass nicht die Nutzung, sondern der Rechtsverlust im Vordergrund gestanden habe.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 2.7.2018 – IX R 31/16