OFD Magdeburg, Verfügung v. 18.8.2004, S 0256 -1 - St 251
1. Anspruchsberechtigung
1.1 Die von einer Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren durch Verwaltungsakt zu Beweiszwecken herangezogenen Auskunftspflichtigen (§ 93 AO) und Sachverständigen (§ 96 AO) erhalten nach § 107 Satz 1 AO i.d.F. des Art. 4 Abs. 57 Nr. 2 Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts – KostRMoG – vom 5.5.2004 (BGBl 2004 I S. 718; BStBl 2004 I S. 486) auf Antrag eine Entschädigung oder Vergütung in entsprechender Anwendung des mit Wirkung ab 1.7.2004 an die Stelle des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) getretenen Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes – JVEG – (Art. 2 KostRMoG), soweit sie weder Beteiligte (§ 78 AO) sind noch die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben, wie z.B. die Vertreter und Verfügungsberechtigten im Sinne der §§ 34, 35 AO.
1.2 Die Vorschrift des § 107 AO gilt in allen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens (einschließlich des Außenprüfungs-, Vollstreckungs- und Einspruchsverfahrens).
1.3 Auskunftspflichtige können natürliche Personen, juristische Personen und Personengesellschaften sein. Freiwillig – d.h. ohne Aufforderung durch die Finanzbehörde – vorgelegte Auskünfte und Sachverständigengutachten führen selbst dann nicht zu einer Entschädigung, wenn die Finanzbehörde sie verwertet (vgl. Nr. 1 AEAO).
1.4 Für die Vorlage von Urkunden (§ 97 AO) und für die Duldung der Einnahme des Augenscheins (§ 98 AO) kann eine Entschädigung nach § 107 AO nicht beansprucht werden. Verlangt die Finanzbehörde von einem Vorlagepflichtigen unter Hinweis auf § 97 AO nur die Vorlage von Urkunden, kommt eine Entschädigung daher nicht in Betracht. Dies gilt auch hinsichtlich der Kosten, die der Vorlagepflichtige aufwenden muss, um auf Datenträger gespeicherte Unterlagen lesbar zu machen, sowie der Kosten, die der Ausdruck der Unterlagen oder die Fertigung von lesbaren Reproduktionen verursacht (§ 97 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 147 Abs. 5 AO). Bei einem kombinierten Auskunfts- und Vorlageersuchen hat der ersuchte Dritte dagegen Anspruch auf Ersatz aller seiner mit dem Ersuchen zusammenhängenden Aufwendungen, d.h. auch jener, die ihm im Zusammenhang mit der Vorlage von Urkunden entstanden sind (BFH-Urteil vom 24.3.1987, VII R 113/84, BStBl 1988 II S. 163). In einem solchen Fall ist die Vorlagepflicht als Nebenpflicht der Auskunftspflicht anzusehen.
1.5 Nimmt ein Auskunftspflichtiger oder ein Sachverständiger eine Hilfsperson (z.B. einen Steuerberater) in Anspruch, so hat diese keinen eigenen Entschädigungsanspruch (Niedersächsisches FG vom 28.10.1988, XII 649/87 n.v.).
1.6 Die dem Drittschuldner durch die Erfüllung seiner Erklärungspflicht gemäß § 316 AO entstehenden Kosten sind nicht nach § 107 AO zu erstatten. Dies gilt auch, wenn das FA die Angaben in der Drittschuldnererklärung für unzureichend hält und deshalb um Ergänzung oder Vervollständigung nachsucht. Eine Entschädigung kommt aber in Betracht, wenn das FA den Drittschuldner um Auskünfte ersucht, die über dessen Erklärungspflicht gemäß § 316 AO hinausgehen.
1.7 Im Steuerstrafverfahren bzw. im Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, in denen die Finanzbehörde die Ermittlungen selbstständig durchführt, sind die von der Finanzbehörde zu Beweiszwecken herangezogenen Zeugen und Sachverständigen entsprechend § 405 AO in der Neufassung des Art. 4 Abs. 57 Nr. 3 KostRMoG und Nr. 55 AStBV (St) 2004 nach dem JVEG zu entschädigen bzw. zu vergüten.
1.8 Eine besondere gesetzliche Regelung besteht für Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1 StPO) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden, Auskunft erteilen oder die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation ermöglichen (§ 100b Abs. 3 StPO). Diese Dritten haben nach § 23 Abs. 1 JVEG einen Anspruch darauf, wie Zeugen entschädigt zu werden.
1.9 Die Entscheidung darüber, ob ein Auskunftspflichtiger oder Sachverständiger eine Entschädigung oder Vergütung erhält, liegt nicht im Ermessen des Finanzamts. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht auf die Entschädigung oder Vergütung ein Rechtsanspruch (BFH-Urteil vom 23.12.1980, VII R 91/79, BStBl 1981 II S. 392).
2. Umfang der Entschädigung
2.1 Auskunftspflichtige
2.1.1 Verdienstausfall/Personalkosten
Erledigt der Auskunftspflichtige das Auskunftsersuchen selbst oder beauftragt er Personen, die in seinem Betrieb beschäftigt sind, so werden der Verdienstausfall bzw. die Personalkosten mit dem Betrag erstattet, den ein Zeuge nach § 22 JVEG beanspruchen könnte. Für den mit der Auskunftserteilung verbundenen Zeitaufwand dürfen höchstens 17 Euro pro Stunde erstattet werden. Dabei ist unbeachtlich, ob dem Antragsteller durch Zahlung von Überstundenvergütungen oder Neueinstellungen ein Mehraufwand entstanden ist. Soweit die Entschädigung nach Stunden bemessen ist, wird sie für höchstens ...