Bei fachspezifischen Softwarelösungen sind gute Voraussetzungen von Entscheidungsassistenz gegeben, da sowohl Datenstruktur und Merkmale bekannt sind und dazu Fachwissen zur Domäne vorliegt. So müssen z. B. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in einem extrem regulierten System von Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) bestehen, die Abrechnungsregeln je Quartal und 17! KVen ändern können. Ein typisches Beispiel ist die Voraussetzung zur Abrechnung einer Chroniker-Ziffer. Hier gilt die "4-3-2-1-Regel". Der Patient muss über 4 Quartale, also mindestens ein Jahr lang, an einer chronischen Erkrankung leiden. Er muss in diesen 4 Quartalen mindestens 3 Kontakte zur Praxis gehabt haben. Darunter müssen 2 dokumentierte persönliche Arzt-Patienten-Kontakte sein. Und es muss sich um 1 gesicherte chronische Erkrankung handeln, also um dieselbe ICD-10-Codierung über 4 Quartale. Je Leistungsziffer gibt es meist mehrere ähnliche Regeln, sodass bei > 1000 Fällen eines Hausarztes schnell Dinge übersehen werden können, die aber prozess- und abrechnungsrelevant sind – wodurch Erlöse geschmälert oder Potenziale ungenutzt bleiben.
Der MVZ-Kompass ermöglicht dem MVZ eine umfassende betriebswirtschaftliche und prozessuale Steuerung. Das Personal (MFA, Controller, Ärzte) erhält tagesaktuell Hinweise für fallbezogene Entscheidungen, bei welchen Patienten Abrechnungsmöglichkeiten übersehen wurden, wo Leistungen falsch abgerechnet wurden, was zur Streichung durch die KV führt, in welchen Fällen Diagnosen und Leistungen nochmals im Detail im Zeitverlauf angesehen werden sollten und wo Potenziale des MVZ für nicht budgetierte Leistungen liegen. Entscheiden muss letztendlich der Arzt, aber durch die Hinweise wird sichergestellt, dass erbrachte Leistungen wenigstens vollständig vergütet und Potenziale im Patientenstamm des MVZ gehoben werden. Um Regresse zu vermeiden, ist diese dynamische Optimierung mit gleichzeitiger Überwachung des ebenfalls reglementierten Zeitbudgets verbunden.
Technologische Basis der Entscheidungsunterstützung ist ein Abgleich aktueller Fallkonstellationen mit einer integrierten Wissensbasis, die je Quartal und KV aktualisiert wird.
Diese Form der Assistenz ist prinzipiell in allen branchenspezifischen Softwaresystemen anwendbar. In nächster Zeit ist eine Kombination und Verzahnung der unterschiedlichen Technologien aus den 3 Beispielen zu einer umfassenden Assistenzlösung zu erwarten.
Im letzten Abschnitt werden Algorithmen datenbasiert automatisierte Entscheidungen treffen.